ES WEIHNACHTET WIEDER SEHR - Buchrezension und Plädoyer für die vergessene Weißtanne in unseren Wäldern

 

Was könnte zum bevorstehenden Weihnachtsfest besser passen, als ein Buch über den Tannenbaum. Der Forst- und Rechtswissenschaftler Wilhelm Bode, in den 1980er Jahren Chef der staatlichen Forstverwaltung im Saarland und dortiger Vorreiter des kahlschlagfreien Dauerwalds, hat ein nuancen- und detailreiches Porträt über diese Baumart geschrieben.

 

Gleich im Eingangskapitel beschreibt er die Rolle der Tanne im deutschen Weihnachtsbaumkult und deckt einen weit verbreiteten Irrtum auf: Denn seit altersher besingen wir zu Weihnachten unwissentlich nicht etwa die heimische Weißtanne, sondern andere Nadelbäume, vorzugsweise den Allerweltsbaum Rotfichte, der die Tanne in den Wäldern des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein fast verdrängte. Besonders eindrücklich und mit literarischen Bezügen beschreibt der Autor das Tannen-Sterben im Schwarzwald und die erfolgreichen Bemühungen, sie zu retten.

 

Die Tanne ist die „geliebte Unbekannte“, „geduldig und darum ewig jung.“ So fasst Bode prägnant den Charakter der Baumart zusammen. Wie die sie begleitende Buche ist die Tanne eine ausgesprochene Schattenbaumart und für den naturnahen Dauerwaldbetrieb geradezu prädestiniert. Sie halte der schlagweisen Wirtschaft unerbittlich den Spiegel ihres Unvermögens vor.

 

Angelehnt an die literarischen Figuren Dr. Jekyll und Mr. Hyde deckt Bode die verlogene Janusköpfigkeit der konventionellen deutschen Forstwirtschaft auf. Sie versteckt sich nach außen hinter einem wohlklingenden Nachhaltigkeitsbegriff, lässt aber in der Praxis ausschließlich einer auf schnellen Profit ausgerichteten Holzproduktion fast ungezügelt freien Lauf, „trunken von einer sturen waldbaulichen Fehlorientierung“, wie es Bode formuliert, und begeht damit schwere Verbrechen an der ihr anvertrauten Waldnatur.

 

Der gegenwärtig wohl ärgste Feind der Weißtanne ist nach wie vor der Verbiss durch zu viel Schalenwild. Die Gams im Hochgebirge, das Reh im Schwarzwald und der Hirsch im Erzgebirge – sie alle verhindern einen nicht nur tannenfreundlichen, sondern generell einen naturkonformen Waldbau, der zudem auch auf heimische Laubbaumarten setzt. Für Bode kann es nur eine gemeinsame, länderübergreifende Ursache dafür geben: Ein falsch konstruiertes Jagdrecht, das teilweise immer noch dem Wortlaut des Göringschen Reichsjagdgesetzes aus dem Jahr 1934 folgt. -Ein facettenreiches Buch, das einen tiefen Blick in das verkorkste Innenleben der deutschen Plantagenforstwirtschaft gewährt, unbedingt lesenswert, Pflichtlektüre für alle, die den Wald lieben und allemal ein sinnreiches Präsent für den weihnachtlichen Gabentisch.

 

 Norbert Panek       

 

 

Wilhelm Bode: Tannen – ein Porträt, erschienen 2020 im Verlag Matthes & Seitz, Berlin

 

ISBN: 9783957579485

 

160 S. mit zahlreichen Abbildungen, 20,-- Euro