Geplanter Gifteinsatz in Brandenburgs Wäldern: die Folgen wären katastrophal!

Die Zeit drängt! Ab 29. April 2019 sollen großflächige Gifteinsätze in Brandenburgs Wäldern um Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide erfolgen. Die Petition "Kein Gift in Brandenburgs Wäldern" veröffentlicht das Schreiben einer Bürgerin an die Staatskanzlei des Landes Brandenburg vom 17.04.2019, das wir hiermit unterstützend für die Meinungsbildung der Bürger ebenfalls verbreiten wollen:

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Woidke,

 

ich wende mich in der oben bezeichneten Angelegenheit an Sie, weil ich - und mit mir viele weitere Bürger*innen - der Meinung bin, dass die Durchführung der Aktion ein schlimmer Fehler wäre, den in heutigen Zeiten niemand mehr begehen darf.

 

Doch von Anfang an: In einer Zeitung habe ich einen Artikel über Herrn Tempel gefunden, der in dem oben bezeichneten Gebiet einige Hektar Wald besitzt, die er seit etwa 20 Jahren ökologisch bewirtschaftet. Er entfernt Kiefern und pflanzt statt ihrer Esskastanie ("Baum des Jahres" 2018), Feldahorn, Roteiche, Feldhasel, Robinie, Ginster, Kornelkirsche, Wildbirne mit beträchtlichem Erfolg. Er zeigte sich entsetzt von einer von drei Forstämtern geplanten Spritzaktion (s.o.), von der auch sein Wald betroffen wäre. In seinem Wald gibt es aufgrund des von ihm bisher geleisteten und weiter voranzutreibenden Umbaus keine Situation, die eine Schädlingsbekämpfung vom Hubschrauber aus nötig machen würde - wenn eine derartige Maßnahme denn überhaupt jemals als gerechtfertigt angesehen werden kann.

 

Ich beschloss spontan, ihm meine Hilfe anzubieten und hatte auch dank seiner Website www.tempelwald.de schnell Kontakt zu ihm. Ich erfuhr von Herrn Tempel, dass am darauffolgenden Tag in Fichtenwalde eine Bürgerversammlung geplant sei, in der man gemeinsam überlegen wolle, wie man sich gegen die geplante Sprühaktion zur Wehr setzen könne. Zeitgleich verfasste eine Freundin von Herrn Tempel eine Petition, die mittlerweile etwa 4700 Mal unterschrieben wurde, in der sie von Herrn Minister Vogelsänger verlangt, die Schädlingsbekämpfungsaktion zu unterbinden.

 

Bei der Bürgerversammlung waren ein Vertreter des BUND, Herr Tempel, eine Umweltmedizinerin und ein Professor der Agrarwissenschaften (?) auf dem Podium zugegen, die die Kontraseite vertraten, während die Prohaltung von einer Reihe Waldbaufachleuten dargelegt wurde. Diese kamen aus drei Forstämtern, die für die o.a. Waldgebiete zuständig sind.

 

Das Fazit für die anwesenden Bürger*innen war am Ende der Veranstaltung, sich mit verschiedenen Aktionen weiter gegen die Schädlingsbekämpfung in ihrem Forst einzusetzen, u.a. soll in Borkwalde eine Bürgerversammlung zur Information der Öffentlichkeit stattfinden.

 

Wenn der von den Forstleuten geplante Einsatz dennoch stattfinden sollte, wird folgendes geschehen: Das aufgrund seiner molekularen Zusammensetzung wasserunlösliche Mittel "Karate Forst flüssig", das hier zur Anwendung kommen soll, wird in Wasser suspendiert, so dass eine Emulsion entsteht. Die ist nötig, weil die unverdünnt angewendete Substanz sich auf lange Zeit absolut verheerend auswirken würde. Die nach dem Einsatz des Mittels notwendige Sperrzeit wäre viel länger, als die jetzt angegebene von 56 Tagen, während derer nichts gesammelt und verzehrt werden darf, was in diesem Wald wächst.

 

Karate Forst flüssig ist ein Kontaktinsektizid, das aufgrund seiner Wasserunlöslichkeit, die gleichbedeutend ist mit Fettlöslichkeit, sich auf der Oberfläche der Tiere festsetzen und durch ihren Chitinpanzer in sie eindringen wird. Dort setzt es sich an die Nervenzellen, legt sie lahm und führt so dazu, dass sie unter Krämpfen verenden. Sollten Sie eine genauere Darstellung des Wirkmechanismus benötigen, kann ich die liefern, vorerst halte ich das für ausreichend.

 

Es wären also innerhalb kürzester Zeit alle, wirklich ausnahmslos ALLE Insekten tot, die mit dem Mittel in Berührung kommen: Lauf- und andere Käfer, Schmetterlinge, Libellen, Ameisen, Hummeln, Bienen (der Hersteller Syngenta behauptet, sein Mittel sei bienenunschädlich, aber es gibt Gründe, dies zu bezweifeln), Fliegen, Wespen, Hornissen, Springschwänze und viele, viele andere, natürlich auch die "Schädlinge", die man eigentlich treffen will. Weiterhin sterben würden Spinnen, Asseln, alle Arten von Regenwürmern, die früher oder später damit in Kontakt kommen, und alle Tiere, die sich unmittelbar oder mittelbar von den toten Tieren ernähren: Kröten, Maulwürfe, selbstverständlich Vögel, Igel und weitere. Wegen der langen Haltbarkeit des Mittels und wegen seiner Fettlöslichkeit werden alle Tiere, die sich von den Leichen ernähren, entweder selbst sterben, weil das Gift sich in ihnen ansammelt, oder sie werden in ihrer Vitalität beeinträchtigt, was u.a. ihrer Fruchtbarkeit schadet. Auf Monate hinaus wäre der behandelte Wald tot: alles, was fliehen kann, wird das tun, Vögel werden ihre Nester und damit ihre Brut verlassen, wenn nicht, werden sie ihre Nachkommen mit den toten Insekten zu Tode füttern. Alles, was nicht fliehen kann, stirbt sowieso.

 

Das eigentliche Desaster kommt aber erst noch, wenn wir erkennen, dass all' das vollkommen sinnlos war und wir diese vielen Tiere umsonst geopfert haben: das 3. Volterrasche Gesetz besagt, dass nach einer Schädlingsbekämpfungsaktion die Schädlinge sich nur desto stärker vermehren. Das hat seinen Grund darin, dass die "Schädlinge" "nur" durch das angewendete Gift geschädigt werden, die sie fressenden Nützlinge aber außer durch das Gift auch durch den aus seiner Anwendung resultierenden Nahrungsmangel. Während die Schädlinge, sobald sie sich von der Bekämpfung erholt haben, ja immer noch einen gedeckten Tisch vorfinden und sich rasch vermehren, finden alle möglicherweise überlebenden Nützlinge keine Nahrung mehr und gehen an diesem Nahrungsmangel zugrunde.

 

Die Zahl der Beispiele für das Zutreffen dieser Gesetzmäßigkeit ist Legion, erste Erfahrungen damit hat man in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts damit gemacht, als man begann, DDT, Lindan, Dieldrin und andere derartige Substanzen auf Baumwoll-, Kakao-, Kaffee-, Mais- und andere Plantagen zu sprühen. Innerhalb von vier bis zehn Jahren ging der Ertrag auf ca. 20% des ursprünglichen zurück, bei ständig steigendem Pestizideinsatz. Als man den dann unterließ, stiegen die Erträge innerhalb von drei, vier Jahren auf ihr ursprüngliches Maß. Der Hauptwirkstoff von Karate Forst flüssig, Lambda-Cyhalothrin, ist übrigens mit den oben erwähnten Substanzen chemisch eng verwandt, eine Substanz aus der Gruppe der zurecht geschmähten FCKWs, mit drei Fluor- und einem Chloratom im Molekülgerüst.

 

Was bleibt mir nach alldem noch zu sagen?

 

Eile ist geboten. Die Schädlingsbekämpfungsaktion wird, wenn ihre Gegner*innen keinen Erfolg haben, am 29. APRIL beginnen Ich kann Sie nur inständig bitten, sich von Gegenargumenten der Forstleute nicht in die Irre führen zu lassen. Wenn es nur um Profit geht und um ein schnödes "das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht,-das-machen-wir-auch-weiter-so", dann ist die Anwendung von Karate Forst flüssig beinahe schon alternativlos. Wenn wir aber unserer Verpflichtung nachkommen wollen, die Natur zu erhalten und sie nicht noch weiter beschädigt unseren Kindern zu hinterlassen, dann muss DRINGEND der Kiefernmonokulturforst umgebaut und den neuen Bedingungen angepasst werden. Wir Heutigen stellen die Weichen, und wir sind vielleicht die letzte Generation, die das kann. In ein paar Jahren kann uns das Heft des Handelns bereits unwiederbringlich aus der Hand genommen worden sein.

 

Die Schädlingsbekämpfungsaktion ist keineswegs alternativlos, denn es gibt eine Vielzahl an möglichen biologischen Maßnahmen, die durchgeführt werden können.

1. Anbringen von Leimringen

2. Aufhängen, -stellen von Fallen mit Pheromonlockstoff

3. Einsatz von Schlupfwespen, Bacillus thuringiensis und anderen Lebewesen zur Bekämpfung

4. Ansiedeln und Fördern von Nützlingen durch Aufhängen von Brutkästen usw.

5. Autizid; äußerst aufwendig, aber extrem wirkungsvoll: es werden Männchen der zu bekämpfenden Art gezüchtet und durch Chemikalien oder UV-Strahlung unfruchtbar gemacht. Diese setzt man aus, und sie begatten die Weibchen der Schädlinge, ohne dass aus deren unbefruchteten Eiern Nachkommen schlüpfen. Wenn man das ein paar Monate lang und drei, vier Jahre hintereinander durchhält, sind die Schädlinge weg, völlig ohne jegliche Nebenwirkung, völlig giftfrei

6. Wegschneiden, -räumen und Verbrennen befallener Äste bei geringem Befall

7. Umbau von Monokulturen in Mischwälder mit standortgerechten Arten entsprechend den zu erwartenden Klimaveränderungen

... Und andere mehr.

 

Ich gehe davon aus, dass es die heimischen Kiefernwälder in 20 Jahren nicht mehr geben wird. Noch ein, zwei Sommer ähnlich dem von 2018, und sie werden Geschichte sein. Die Schäden durch die Trockenheit des vorigen Jahres kann man bereits jetzt an vielen Orten begutachten, Kiefern sterben in großer Zahl. Im Februar waren sie noch grün, jetzt sind sie tot. Aufgrund ihrer Vorschädigung haben sie bei gleichbleibend heißen und trockenen Sommern keine Überlebenschancen, diese Entwicklung hat schon eingesetzt.

 

Und eine letzte Bemerkung: es gibt eine alte Weisheit, die den Dakota-Indianern zugeschrieben wird: "Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steige ab."

Es nützt auch nichts, eine größere Peitsche zu besorgen, dem Pferd mehr Futter anzubieten, das Stroh im Stall auszuwechseln oder es für lebendig zu erklären. Steigen wir ab und satteln ein neues, frisches, lebendiges Pferd, den ökologischen Waldbau!

 

Wir alle hoffen und zählen auf Sie!

 

Mit freundlichen Grüßen im Namen ganz, ganz vieler Mitbürger*innen

Christiane Lorey

 

Bitte die Petition gegen diesen flächigen Gifteinsatz aus der Luft unterzeichnen! Auch andere Wälder könnten bald betroffen sein. Das UBA empfiehlt als äerste Ausnahme "Karate Forst flüssig" oder "Dipel ES". Es warnt überhaupt vor dem Einsatz von Giften. Der Einsatz ist allerdings Sache der Länder.

 

www.change.org/p/kein-gift-in-brandenburgs-wäldern/u/24437645

 

weitere Informationen:

www.tempelwald.de/okologischer-waldumbau