Pressemitteilung 1. März 2019

 

Die BundesBürgerInitiative WaldSchutz (BBIWS) fordert zum „Tag des Artenschutzes“einen wirksamen Schutz der auf alte Wälder angewiesenen waldtypische Arten!

 

Einen wirksamen Schutz der auf alte, Totholz reiche Wälder angewiesenen Tier- und Pflanzenarten fordert die BundesBürgerInitiative Wald­Schutz (BBIWS) zum „Tag des Artenschutzes“ am 3. März.

 

 

Zwei "Kaisermäntel" Foto: Jürgen Dörr
Zwei "Kaisermäntel" Foto: Jürgen Dörr

Jeder spricht über den Schwund von Wildbienen und Schmetterlingen in der Kulturlandschaft. Dabei geht verloren, dass sich der dramatische Rückgang von Insekten auch im Wald abspielt.

 

Viele waldtypische Arten, die auf alte Wälder mit vielen Methusalembäumen und vielfältigen Totholzstrukturen angewiesenen sind, befinden sich ebenfalls im Sinkflug, doch das findet bisher kaum Beachtung.

 

Wer kennt schon stark bedrohte Arten wie den Glanzknochenkäfer und den Veilchenblauen Wurzelhalsschnellkäfer, das Grüne Besenmoos, den Igelstachelbart und den Eichenmosaik­schichtpilz? Wen kümmert es, wenn zwei Drittel aller Flechtenarten in Deutschland um ihr Überleben kämpfen? Viele bedrohte Totholzkäfer, Moose, Pilze und Flechten benötigen für ihre Existenz natürliche oder zumindest sehr naturnahe Wälder mit vielen stattlichen dicken Bäumen, sowie sehr alten, zerfallenden Laubbäumen und viel dickes, unzerschnittenes, auch stehendes Totholz. Waldlebensräume mit altem Baumbestand, die gar nicht oder nur sehr schonend bewirtschaftet werden, werden immer seltener. Von vielen bedrohten Käfern gibt es nur noch sehr isolierte und kleine Restpopulationen, und das langfristige Überleben ist alles andere als gesichert. Viele Holzkäfer-, Flechten- und weitere Arten sind in unseren Wäldern bereits ausge­storben.

 

 

Buchengenerationen. Foto: Susanne Ecker
Buchengenerationen. Foto: Susanne Ecker

 

Dies ist zum einen früherer Bewirtschaftung geschuldet. Doch auch die aktuelle Bewirtschaftung ist alles andere als ökologisch nachhaltig, da sie seit den Forstreformen 2004-2007 vorrangig auf mengenorientierte Holzerzeugung und industrielle Ernte ausgerichtet ist. Die Ökologie eines naturnahen Waldes spielt dabei entgegen aller forstlichen Behauptungen kaum ein Rolle. Damit werden wichtige Lebensräume der Waldbewohner zerstört, auf Inseln zurückgedrängt und selbst in Naturschutzgebieten durch das Fällen zu vieler Bäume mit dicken Stämmen massiv geschädigt.

 

Die Artenvielfalt eines Waldes hängt in erster Linie davon ab, wie strukturreich er ist und wie viele ökologische Nischen er seinen Lebewesen bietet. Je weniger man den Wald stört, desto besser kann er seine Jahrtausende alten Beziehungsgeflechte von Tieren und Pflanzen aufrecht erhalten und weiterentwickeln.

 

Der Mensch kann den Wald nicht im ökologischen Sinne “pflegen”, er kann lediglich über die Art und Intensität seiner mehr oder minder schlimmen Eingriffe entscheiden. Besonders wichtig für die Wald­bewohner ist außerdem, wie alt ihr Wald ist - je älter, desto mehr waldtypische Insekten und andere Lebewesen!

 

Die deutsche Forstwirtschaft verfolgt in der Praxis zu oft das Ziel, Wälder zu „verjüngen“ und Licht liebende Arten zu fördern. Doch dabei geht es letztendlich vor allem um die Verkürzung der Umtriebszeiten und um die Bereitstellung eines Massensortiments mit relativ kleinen Durch­messern nach einer massiven Ernte von Starkbäumen. Ein auf diese Weise „verjüngter“ Wald hat kaum noch alte Bäume mit großen Stammdurch­messern im Bestand. Bäume können kaum noch alt werden, da sie im besten Alter gefällt werden. Das Fehlen der alten Bäume hat aber fatale Auswirkungen auf die Artenvielfalt im Wald.

 

Selbst alte, heimische Buchenlaubwälder sind in Deutschland bisher nur unzureichend geschützt. Auch in FFH-Wäldern kreischen die Sägen und dröhnen die Harvester und werden stattliche Bäume mit großem Stammdurchmesser gefällt. Wo sollen sie herkommen, die Baumveteranen der Zukunft, wenn ihre potentiellen Nachfolger in großer Zahl gefällt werden, selbst wenn teilweise auch Biotopbäume mit Höhlen und Spechtlöchern darunter sind? Totholzkäfer sind beispielsweise darauf angewiesen, in der Nähe weitere geeignete Biotopbäume als neuen Lebensraum zu finden. Gelingt dies nicht, verschwindet die Art.

 

Wir fordern von der Bundesregierung deshalb einen deutlich besseren gesetzlichen Schutz der Wälder in ganz Deutschland! Nur eine Neufassung des Bundeswaldgesetzes und eine verbindliche Definition der „Guten fachlichen Praxis“ kann dem Artensterben im Wald ein Ende setzen. Handeln wir jetzt, bevor der Wald genauso ausgeräumt ist, wie die Agrarflächen der industriellen Intensivlandwirtschaft!

 

Die BBIWS hat unter dem Schlagwort „Wald statt Holzfabrik“ eine Petition zu einer Novellierung des Bundeswaldgesetzes gestartet, die inzwischen bereits von über 75.000 Personen unterzeichnet worden ist.

 

Hier zur Illustration des lautlosen und kaum bemerkten Artensterbens im Wald das Beispiel des dramatischen Rückgangs der Flechten:

 

„Jede zehnte in Deutschland vorkommende Flechtenart ist zu ihrem Überleben auf natürliche oder naturnahe Waldökosysteme mit alten, zerfallenden Bäumen und Totholz angewiesen. Viele dieser epiphytisch ("auf anderen Pflanzen aufsitzend") in Wäldern lebenden Arten sind stark gefährdet. .. Eine Reihe dieser bundesweit stark gefährdeten Arten lassen sich nur in historisch alten, scho­nend bewirtschafteten Waldbeständen nachweisen und gelten somit als Indikator für Naturnähe und Bestandeskontinuität. ... Neben den lufthygienischen Belastungen der letzten Jahrzehnte trugen Kahlschläge, die Umwandlung naturnaher Misch- und Laubwaldgesellschaften in Nadelholz­reinbestände sowie intensive Erschließung mit Forststraßen und Rückewegen und Entwässe­rungs­maßnahmen zu einer deutlichen Dezimierung der Flechtenflora bei. Ein wesen­tlicher Punkt besteht jedoch auch in der Verringerung der Umtriebszeiten und somit im Verlust alter, in der Zerfallsphase befindlicher Bäume. Diese für Urwälder typische Phase mit einem höheren Totholz­anteil fehlt in Wirtschaftswäldern meistens. In intensiv bewirtschafteten Forsten ist die Alterungs­phase um über 150 Jahre kürzer als in Naturwäldern. Dies hindert viele spezialisierte Flechten­arten an einer erfolgreichen Besiedelung und einer generativen oder vegetativen Fort­pflanzung. ... Innerhalb des Pflanzenreiches sind Flechten stark gefährdet. Rund zwei Drittel aller Arten kämpfen deutschlandweit um ihr Überleben. ... Lobaria virens - in der BRD seit Mitte des 20. Jahrhunderts ausgestorben. Diese Blattflechte ist auf sehr alte, zerfallende Laubbäume in luft­feuchten, schattigen und schonend bewirtschafteten Wäldern angewiesen “[1]

 

Flechten an Eichentotholz. Foto: Karl-Friedrich Weber
Flechten an Eichentotholz. Foto: Karl-Friedrich Weber

[1] Johannes Bradtka: „Im Wirtschaftswald kaum noch epiphytische Flechten“ waldwissen.net: https://www.waldwissen.net/wald/pilze_flechten/lwf_flechten_wirtschaftswald/index_DE

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PM zum Tag des Artenschutzes am 03.03.2019
Pressemitteilung der BundesBürgerInitiat
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