Fachtagung "Bürgernähe als Konzept zukunftsfähiger Forstwirtschaft"

am 5. und 6. Oktober 2017 in Göttingen an der HAWK (Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen) Die BundesBürgerInitiative WaldSchutz warnt in diesem Zusammenhang vor Greenwashing, bzw. Etikettenschwindel

 

 

 Pressemitteilung

 

Das System der Raubbau-Wirtschaft hat ausgedient: BundesBürgerInitiative WaldSchutz fordert echte Bürgerpartizipation

 

 Massive Holzeinschläge in Altbuchenbeständen, umgesägte Biotopbäume, durch Erntemaschinen zerstörte Waldwege etc. - fast wöchentlich erhalten Mitglieder der im Juli 2017 gegründeten BundesBürgerInitiative WaldSchutz entsprechende Hinweise von aufmerksamen Mitmenschen, die sich vielerorts zu lokalen Bürgerinitiativenzusammengeschlossen haben. Davon unbeeinflusst, schreitet der Holz-Raubbau im deutschen Wald, vor allem im öffentlichen Wald weiter voran. Selbst in geschützten Gebieten hat dieForstwirtschaft Narrenfreiheit. Das alles passiert unter dem Deckmantel einer so genannten„multifunktionalen, ordnungsgemäßen“ Forstwirtschaft.

 

 Aber was als „ordnungsgemäß“ und „multifunktional“ propagiert wird, ist nach Ansicht der BundesBürgerInitiaitve WaldSchutz naturwidrig und „monofunktional“, einzig und allein ausgerichtet auf schnellen Holzzuwachs und schnellen Profit. Der öffentliche, vornehmlich staatliche Wald hat andere Ziele zu bedienen.

 

„Es wird Zeit“, so der Sprecher der Initiative, „dem System der Raubbau-Wirtschaft im deutschen Wald ein Ende zu bereiten.“

 

Seit Jahren streiten sich Naturschützer und Forstlobbyisten um den Erhalt von Totholz und Habitat- Bäumen im deutschen Wald. Um die Frage, wie viele Waldflächen der biologischen Vielfalt wegen, aus der Nutzung zu entlassen sind, ist ein Glaubenskrieg ausgebrochen. Dieser „Krieg“ gipfelt in der Behauptung der Vertreter der Forst- und Holzindustrie, dass ja Arten und Biotope in Wirtschaftswäldern genauso gut geschützt würden und dass zudem alles „nachhaltig“ sei. Aber das Kerngeschäft heißt nach wie vor: Holzproduktion. Die knapper werdende Ressource verspricht Spitzengewinne. Komplizierte Naturschutzprogramme, die dem konventionellen Forstmann vor Ort zudem Spezialkenntnisse abnötigen, stören nur den Betriebsablauf. Gedeckt und teilweise gefördert wird das Ganze von den politisch Verantwortlichen auf Länder- und Bundesebene. Demzufolge bleiben die geschaffenen, auf Gewinn getrimmten Strukturen in den meisten landeseigenen Forsten weiterhin unangetastet.

 

Der von der Forstlobby gepriesene, so genannte „integrative Naturschutz“ ist nach Auffassung der BundesBürgerInitiative WaldSchutz im Wald längst gescheitert. Nach den Erhebungen der neuesten

Bundeswaldinventur (BWI) wachsen im deutschen Wald rund 7,6 Milliarden Bäume ab einem Brusthöhen-Durchmesser von 7 cm. Erfasst wurden auch so genannte Biotopbäume, also Bäume mit besonderen, ökologisch bedeutsamen Merkmalen wie Stammhöhlen und Pilzbewuchs. Die Hochrechnung laut BWI ergibt einen Gesamtbestand von 93 Millionen Biotopbäumen. Bemerkenswert dabei ist, dass davon lediglich etwa eine Millionen Biotopbäume (1 %) mit einer entsprechenden Markierung tatsächlich vor unkontrolliertem Abholzen geschützt sind.

 

Seit Jahren kämpfen Naturschutzverbände um die Einführung besserer Naturschutz-Standards und um naturnähere Bewirtschaftungsmethoden. Die meisten der seitens der Forstwirtschaft öffentlichkeitswirksam inszenierten Schutzkonzepte entpuppen sich als „grüne Feigenblätter“, als bloße Absichtserklärungen und wirkungslose Lippenbekenntnisse, während die Bewirtschaftung in den Wäldern, insbesondere in den öffentlichen Wäldern immer intensivere Formen annimmt. Dagegen wehrt sich jetzt die neu gegründete BundesBürgerInitiative WaldSchutz.

 

 

Wir brauchen einen Systemwechsel im öffentlichen Wald!

 

Längst überfällig ist ein Systemwechsel im öffentlichen Wald, der nach Auffassung der BundesBürgerInitiative WaldSchutz die Basis für eine grundlegende Ökologisierung der deutschen Forstwirtschaft bilden könnte. Dazu wäre eine klare gesetzliche Regelung notwendig, die dem Schutz (Erhalt) der biologischen Vielfalt und der Erholung, also den „Gemeinwohlfunktionen“ in öffentlichen (staatlichen) Wäldern absoluten Vorrang und außerdem den Bürgern vor Ort ein Mitspracherecht bei der forstlichen Betriebsplanung einräumt. Auf höchster Ebene hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1990 (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87 -, BVerfGR 82, 159-198, Rn 117,118 (juris); auch Rn. 110, 111) in einerUrteilsbegründung festgestellt: „Die Bewirtschaftung des Staatswaldes dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse ...“

 

Es geht hier um ein Wald-Potenzial von rund 3,5 Millionen Hektar. Und es geht wohlgemerkt um öffentlichen (staatlichen) Wald, der eigentlich den Steuern zahlenden Bürgern gehört und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet sein soll. Diese Gemeinwohl-Wälder werden mittlerweile von privatwirtschaftlich orientierten Forstbetrieben gemanagt, für die einzig der Profit aus dem Holzverkauf zählt. „Wir haben unser Gemeingut „Wald“ einem sich weitgehend selbst kontrollierenden Forstsystem überlassen, der auf unserer „Allmende“ schalten und walten kann, wie es ihm gefällt“, so der Sprecher der Initiative.

 

Logische Konsequenz muss sein, dass ein wirksames Aufsichts- und Kontrollsystem geschaffen wird und Bürger zukünftig rechtswirksam in Kontroll- und Entscheidungsprozessen paritätisch beteiligt werden.

 

 

Negativbeispiel Essener Stadtwald

 

Wie „Bürgerbeteiligung“ nicht laufen sollte, zeigen aktuell die Verantwortlichen für den rund 1.750 Hektar großen Stadtwald in Essen. Die für den Forstbetrieb zuständige Stelle bestimmt, wer beteiligt wird. Eingaben von Bürgern zu den Bewirtschaftungsgrundsätzen im Stadtwald werden nicht behandelt. Ein angekündigter „Beirat Stadtwald“ hat bisher nicht getagt. Ein zentrales Ergebnis von Bürgerbefragungen, nämlich im Stadtwald mehr Natur und nur noch „ganz wenig Forstwirtschaft“ walten zu lassen, wird von den Verantwortlichen stoisch ignoriert. Stattdessen soll unter dem Deckmäntelchen eines als fachlich fragwürdig anzusehenden Konzeptes mit dem vielsagenden Titel „Erholungsdauerwald“ die intensive Bewirtschaftung des Essener Stadtwalds fortgeführt werden - ungeachtet der Tatsache, dass der Forstbetrieb mit der von ihm praktizierten Wirtschaftsweise nach wie vor nicht rentabel arbeitet und die Anpassung an den Klimawandel nicht gelungen ist (wie Sturm Ela in 2014 gezeigt hat)! Einwände von hochkarätigen Fachleuten wie von dem ehemaligen Lübecker Forstamtsleiter Dr. Lutz Fähser werden unter den Teppich gekehrt. Fähser hatte in einer Stellungnahme bereits im Jahr 2013 kritisiert: „Das Konzept zementiert eine äußerst pflegeintensive Waldstruktur ... Es führt weit weg von der Struktur und Dynamik naturnaher Waldökosysteme. Damit steht es im Widerspruch zu der Erwartung zeitgemäßer nachhaltiger Waldwirtschaft.“

 

Der Essener Stadtwald ist Paradebeispiel für ein System der Täuschung, Vertuschung und Schönrednerei, das noch immer das forstpolitische Handeln im öffentlichen Wald bestimmt.

 

 

Es wird Zeit, diesem System ein Ende zu bereiten.

 

 

 

BundesBürgerInitiative WaldSchutz

Alsbach, den 1. Oktober 2017

 

Kontakt: Martin Bertram, Forstwissenschaftler

bertrammartin(at)hotmail.com