Auch im Pfälzerwald: Teurer Kahlschlags- und Pflanzaktionismus. Sinnvoll?

Käferbäume und Totholz - wie geht man sinnvoll damit um?
Käferbäume und Totholz - wie geht man sinnvoll damit um?

 

Im  Pfälzerwald wie auch anderswo wird geräumt und gepflanzt. Ein kritischer Beitrag anlässlich forstlicher Aufrufe an Kinder und Erwachsene zu Pflanzaktionen  - sie sind teuer und zudem ökologisch fragwürdig...

 

Ein Kommentar von Dr. Georg Möller

 

In Anbetracht des ganzen, aus ökologischer Sicht wenig hilfreichen Kahlschlags- (bes. Fichte und Kiefer) und Pflanzaktionismus fühle ich mich zu kritischen Kommentaren provoziert.
Ich erinnere mich gut an die finsteren Geschichten, die z.B. der ehemalige Revierleiter Armin Osterheld zu berichten hat: Anweisung zu Kahlschlägen im Laubholz mit anschließender Koniferen-Aufforstung; Er weigert sich, weil im RLP-Waldgesetz schon damals Kahlschläge untersagt waren; Folge: Beförderungsstop und Jahre andauernde Schikanen durch seinen Amtsleiter.

 

Die Forstpartie kann ihre Hände nicht in Unschuld waschen, weil sie wesentlich und vor allem wider besseren Wissens zur aktuellen Misere / Anfälligkeit der naturfernen Forsten gegenüber den Folgen des Klimawandels beigetragen hat. Ich erinnere mich auch gut an das Wehklagen vieler Forstleute und Waldbesitzer, als im saarländischen Hunsrück ein verfichtetes und drainiertes Waldmoor zugunsten der Stabilisierung des regionalen Wasserhaushalts renaturiert worden ist. Keiner kann behaupten, er oder sie habe es nicht wissen können. Es gibt z.B. eine Schriftensammlung:


„Dem Mischwald gehört die Zukunft. Über 200 Stimmen für den Umschwung vom Nadelreinbestand zum naturgemäßen Wirtschaftswald“ 1958, 3. Auflage (!) Hrsg. Wilhelm Münker. Deutscher Heimat-Verlag Bielefeld.

Seit dem 19. Jahrhundert sind die negativen Folgen der Nadelholz-Altersklassenwirtschaft mehr als zur Genüge bekannt und in der Forstszene in epischer Breite ausdiskutiert – trotzdem wurde aus fahrlässigem Profitstreben heraus auf großen Flächen weiter gemacht. So auch im Pfälzerwald.
Ist die Mehrzahl der Forstleute durch ihre einseitige Ausbildung nicht in der Lage, über den eigenen Schatten zu springen, dazuzulernen und den "Holzweg des Machertums" zu verlassen ?
Auch progressive FörsterInnen urteilen über "herkömmlich" agierende KollegInnen mit den Begriffen "forstliche Geisterbahn", "Verschlimmbesserung des Waldes durch die Forstwirtschaft", usw.

Es ist schon eine massive Geldverschwendung, trotz am Boden liegender Holzpreise die absterbenden Fichten/Kiefern erst kahlzuschlagen / zu beräumen, um dann auf die Trocken- und Froststress-Kahlfläche mit hohem Verlustrisiko hohe Beträge an Pflanzkosten zu versenken.
Nicht umsonst ist das Prinzip Naturverjüngung / Abkehr vom pflanzaktiven Waldbau bei modernen Waldverantwortlichen zur Vermeidung von Betriebsrisiken (auch Zins und Zinseszins) seit langen Grundsatz !

Fichtenkahlschlagfläche
Fichtenkahlschlagfläche


Aus "Fachkreisen" gab es schon mehrfach negative Statements über die ökologische Wertigkeit bzw. das ökologische Potenzial von Fichten bzw. von Fichten-Totholz außerhalb ihrer PNV-mäßigen (potentielle natürliche Vegetation) Verbreitung. Ähnlich bezüglich der Kiefer, die im Pfälzer Wald aber wohl standortheimisch ist. Da aber die Fichte und die Kiefer in Deutschland regional autochthone Gehölzarten sind bzw. schon seit über 2 Jahrhunderten außerhalb ihrer nacheiszeitlichen Vorkommensgebiete angebaut werden, ernähren sie einerseits eine hohe Zahl an phytophagen / nadelfressenden Insekten wie z.B. Schmetterlinge.

 

Diverse Arthropodenarten konsumieren zum Teil spezifisch sowohl frisches, als auch verpilztes Fichten- / Kiefern-Totholz. Die Zahl der räuberischen Verfolger (z.B. parasitoide Schlupfwespen, direkt räuberische Arten) der Borkenkäfer, Bockkäfer, Holzpilzbewohner usw. ist hoch.
An Fichten- / Kiefern-Totholz gibt es hierzulande eine Vielzahl zum Teil spezialisierter Pilzarten; Entsprechend hoch ist die Zahl der xylomycetophagen Arthropodenarten. Zudem haben Fichte und Kiefer eine sehr hohe Zahl an Pilzbegleitern (Mykorrhiza-Symbionten, Zersetzer der Nadelstreu).

 

Stehend abgestorbene Fichten und Kiefern sind für Fledermäuse (z.B. abstehende Borken, Spechthöhlen) interessant. Spechte nutzen stehendes und liegendes Fichten-Totholz sehr regelmäßig.
Wegen der speziellen Biochemie und Struktur des Fichten-Totholzes wird es von zum Teil spezialisierten Moosen besiedelt.

Hinzu kommen die grundsätzlichen ökologischen Potenziale bzw. Leistungen des liegenden und des stehenden Fichten- bzw. Kiefern-Totholzes:

  • Kleinklima-Ausgleich durch Abschattung 
  • Verdunstungssteuerung bzw. Wasserspeichervermögen
  • mittel- und langfristiger Nährstoffspeicher
  • Grundlage für die Bildung von Dauerhumus
  • hoch wirksame Hilfe für Naturverjüngung.


Angesichts der hemmungslos unkritischen „Aufräumarbeiten“ bei Käferfichten und Kiefern, besonders auch in Schutzgebieten, ist ein Paradigmenwechsel dringend erforderlich, zumal die Käferbäume zu einem Großteil erst nach dem Ausfliegen der neuen Buchdrucker- bzw. Borkenkäfergeneration aus den Beständen geholt werden !
Wenn die Borke schon abplatzt bzw. schon vermulmt ist - zum Beispiel der Buchdrucker braucht frische, assimilathaltige, saftige Fichten - wenn kein frischer Bast mehr vorhanden ist, gibt es folglich keinen Neubesatz mehr mit den vermeintlichen Schädlingen; "Schädlinge", die auch „nur ihre Arbeit“ machen, indem sie einen natürlichen Waldumbau einleiten.

Gegenmodell für die Wiederbewaldung: Nationalpark Bayerischer Wald
Gegenmodell für die Wiederbewaldung: Nationalpark Bayerischer Wald

Deshalb

  • die abgestorbenen bzw. abgängigen Fichten / Kiefern beherzt stehen und liegen lassen
  • Schalenwildbestände auf ein vernünftiges Niveau bringen und schwerpunktmäßig die Naturverjüngung laufen lassen
  • die windverbreiteten Pioniere wie z.B. Birke, Zitterpappel, Salweide, auch Hainbuche sind ruck-zuck da; die Birke ist enorm frosthart, relativ verbissresistent, bodenpfleglich auch weil sie über 100 von Mykorrhiza-Pilzarten beherbergt.

Und siehe da - selbst Fichte und Kiefer gesellen sich als Naturverjüngungs-Beimischung dazu.
Im Verhau und Halbschatten der oft dicht stehenden Käferfichten dürfte der Anteil der Schluss-/ Klimax-Baumarten (die Baumarten die den natürlichen Endzustand einer Bewaldung bilden) gegenüber den Pionieren sogar von Beginn an hoch sein. Die Tiere sorgen schnell für weitere Arten wie z.B. Eberesche, Wildkirsche, Eiche, Rotbuche...
Wenn es mit dem "Wertholz" schneller gehen soll, kann ja z.B. mit Eichen-, Esskastanien- Bergahorn-Saat und mit gezielter Heisterpflanzung dezent nachgeholfen werden.

Es gäbe natürlich noch viel mehr zu sagen:

  • viel zu hohe Hiebsätz
  • viel zu geringe Anteile wirklich alter Bäume
  • insgesamt zu wenig Ökologie und
  • zu viel Stör-Aktionismus im Wirtschaftsforst

Themen, die für die Regenartionsfähigkeit eines durch Klimawandel UND Forstwirtschaft stark geschwächten Wirtschaftswald von elemenatarer Bedeutung sind.

 

 

weitere Informationen: