NRW: Ohne Bäume keine Träume - vom Verlust intakter Wälder und Böden

Demonstration LIPPE ökoLOGISCH
Demonstration LIPPE ökoLOGISCH

Verkehrssicherheit als "Totschlagargument" für die Fällung von Bäumen auch im Naturschutzgebiet

 

Ende August 2020 gingen in Detmold rund 500 Bürgerinnen und Bürger angeführt von Landwirten mit Treckern und flankiert von Polizeibeamten für den Erhalt der Lippischen Böden, der Wälder und Felder und damit gegen einen maßlosen Flächenverbrauch auf die Straße. Lippische Wälder und Kulturlandschaften schützen, ist das Ziel der Demonstranten. Die Bundesstraße B239 musste zwei Stunden gesperrt werden. Eine bislang einmalige Aktion im Kreis Lippe.

 

Im Kreis Lippe, in Nordrhein-Westfalen sind überall die Wälder gefährdet. In dem Stadtwald von Lemgo sind sämtlich Fichten abgestorben. Das bewaldete Hermannsdenkmal in Detmold ist durch Kahlschläge gezeichnet. Anstatt die Wälder und vor allem alte Bäume zu schützen, sorgen Politiker für Fällungen, um Industriegebiete zu bauen, oder "störende" Altbaumbestände an Straßen und aus den Städten zu entfernen. Störende Bäume müsste es nicht geben, wenn bei den Pflanzungen auf ausreichend Platz zum Ausdehnen geachtet wird. Das ist leider oft nicht der Fall, so dass das wachsende Wurzelwerk Fahrradwege und Bürgersteine beschädigt. Der Baum muss dann weg. Traurig, dass immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden, obwohl Bäume zum Klimaschutz bestens geeignet und dringend notwendig sind.

 

Vielen BürgerInnen in Lippe reicht es. Sie wollen Wälder, Ackerböden, Feuchtgebiete, Moore und Naturschutzgebiete schützen. Die Landschaft soll nicht weiter versiegelt und die Natur ausgeraubt und zerstört werden. Derzeit haben sich 16 Organisationen zu dem Verbund LIPPE ökoLOGISCH zusammengeschlossen. Am Sonntag, den 30.08.2020 demonstrierten Bürgerinnen und Bürger, Landwirte, Politiker, Mitglieder verschiedener Organisationen und der Naturschutzverbände BUND und NABU. Für die Demonstration in Detmold wurde die B239 zwischen der Stadt Detmold und Lage für rund zwei Stunden gesperrt. Die Redner*innen fanden deutliche Worte.

 

Naomi Brendler (FFF Lippe): "Der Boden unter unseren Füßen ist Lebensquelle! Das kann nicht nur jeder Wissenschaftler, sondern auch jeder Barfußläufer unter uns bestätigen. Und deshalb sehe ich - wenn ich an meine Zukunft denke - momentan ein riesiges Fragezeichen. Ein Fragezeichen hinter unserem aktuellen Mittel der Stabilität: Dem Endloswachstum! Wie lange wird es uns noch tragen? Wann werden wir mit unserem Wachstum den eigentlichen Träger - unseren Boden - zerstört haben?"

 

Bernd Milde (NABU Lippe) zu den Entwicklungen der vergangenen 70 Jahre im Kreis Lippe:

 

"1950 waren etwa sechs Prozent von Lippe bebaut mit Städten, Dörfern Straßen und Gewerbegebieten. Heute, 70 Jahre später, sind über 12 Prozent überbaut und versiegelt. Es hat fast 2.000 Jahre gedauert, um die ersten sechs Prozent zu versiegeln und nur 70 Jahre, um den versiegelten Anteil zu verdoppeln. Der Beschleunigungsfaktor (Tempo des Bodenverbrauchs), beträgt das 26fache. Von knapp vier Hektar pro Jahr in den vergangenen 2000 Jahren auf durchschnittlich 104 Hektar jährlich in den letzten 70 Jahren, ohne die Einrechnung von Steinbrüchen, Sand- und Kiesabgrabungen. 115 Quadratkilometer intakte Böden, als Basis für alles Leben auf dem Festland, haben wir in nur 70 Jahren in Lippe verloren. Erdböden mit all ihren wichtigen Funktionen für den Naturhaushalt, z.B. als Wuchsraum für Wälder, die wir aufgrund des Klimawandel so dringend benötigen."

 

 

Einschlag im NSG Oetternbach
Einschlag im NSG Oetternbach

Immer mehr Menschen verstehen, dass der Raubbau an der Natur nicht weitergehen kann. In den 60er und 70 er Jahren wurden viele Gewässer und Flüsse begradigt und so in Form gebracht, wie es dem Menschen zu Nutze war. Das war ein großer Fehler. Die Renaturierung der Flusslandschaften ist deshalb ein heutiges Ziel. Mit viel Geld müssen Flusskorsette zurückgebaut und damalige Fehlentscheidungen korrigiert werden. Sollte man aus solchen Fehlern nicht lernen. d.h. die Wälder nicht zum Nutzen der Menschen zurechtbiegen?

 

 

"Ohne Bäume keine Träume“,  "Wir brauchen unseren Wald, zum Menschheitserhalt", wissenschaftliche Tatsachen in die so einfachen wie prägnanten Forderungen der Demonstranten gefasst. Der Wald ist ein Speicher für Kohlenstoff und gleichzeitig eine Senke für das klimawirksame Gas Kohlendioxid (CO2). Dennoch werden immer wieder Wälder aus Profitgier gnadenlos abgeholzt, weltweit. In Deutschland gilt die Verkehrssicherheit als das Totschlagargument für viele Bäume. Egal, ob im Naturschutzgebiet, in Wäldern, am Straßenrand oder bei Stadtbäumen: Der Baum muss weg, wenn es um die Sicherheit von Menschen geht.

 

 

NSG Oetternbach - Fällung angeblich nicht "standfester" Bäume - welche Rolle sollte das im NSG abseits von Wegen spielen?
NSG Oetternbach - Fällung angeblich nicht "standfester" Bäume - welche Rolle sollte das im NSG abseits von Wegen spielen?

Eine großflächige Aufforstung ist heutzutage aufgrund der Trockenheit kaum realisierbar. Auch die Nachpflanzung von Einzelbäumen ist schwierig und kann oft nur mit einer künstlichen Bewässerung, z.B. durch Wassersäcke, die oft ehrenamtlich von Anwohnern gefüllt werden, gelingen. Junge Bäume können allerdings nicht den Klimaschutz erfüllen. Was gebraucht wird sind vor allem alte Bäume, die klimaschützend wirken.

 

Dennoch ist das Pflanzen von Bäumen das Mittel der Wahl, um dem Klimaschutz zu begegnen. Laut Weltklimarat (IPCC) müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, bis 2050 nicht nur die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen begrenzt, sondern auch rund eine Milliarde Hektar Land neu mit Bäumen bepflanzt werden. Durchaus erreichbar, meinen Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz, Frankreich und Italien, von der ETH Zürich. Sie haben die Flächen vermessen, die weltweit zur klimarettenden Aufforstung genutzt werden könnten. Nach ihren Berechnungen stünden 900 Millionen Hektar auf der Erde zu diesem Zweck zur Verfügung. Das entspräche fast der Fläche der USA oder der 25-fachen Fläche Deutschlands.

 

Bäume pflanzen und Schluss mit dem übermäßigen Verbrauch, Wohlstands- und Wirtschafts-wachstum. Hin zu einem ressourcenorientierten Umgang mit den Schätzen der Natur, die wir für unser Überleben benötigen.", waren beeindruckende Aussagen der Redner*innen auf der Demonstration.

 

"Wir fangen einfach an." sagt Helmut Krüger, als einer der Sprecher von LIPPE ökoLOGISCH. "Wir arbeiten daran, mit kleinen und immer größer werdenden Schritten. Denn wir, die diesen Umschwung wollen, werden immer mehr."

 

Annette Heuwinkel-Otter

 

 

Weitere Informationen:

 

LIPPE ökoLOGISCH: https://lippe-oekologisch.com/

https://www.youtube.com/channel/UCap3jWzQ_Pdoqjm5nFvi4Pg

https://www.youtube.com/watch?v=_5wYPkiFsFs

https://www.youtube.com/watch?v=-m3EjS7vXyg&feature=share&fbclid=IwAR0QihspLuyNLpSlEySmS4XQ0sw8Bwx2Bpg9SMwUaTJSjTfeJ9GkWc0EIRY