Alter Wald zu Brett und Brennholz? Verein Nationalpark Steigerwald fordert Einschlagstopp

 Foto-Copyright Verein Nationalpark Steigerwald
Foto-Copyright Verein Nationalpark Steigerwald

 

Eine Presseerklärung des Vereins Nationalpark Steigerwald rüttelt auf: Der Steigerwald leidet weiter. Aber nicht nur Trockenheit, Hitze, Stürme und Schadinsekten machen ihm zu schaffen, auch die menschliche Unvernunft und Profitgier setzen ihm zu. Mitglieder des Vereins haben in Bild und Wort dokumentiert, dass die Bayerischen Staatsforsten aktuell sehr viele alte, mächtige Buchen im Steigerwald fällen.

 

Für den Bürgerverein ist der Einschlag paradox, weil kein geringerer als  Ministerpräsident Markus Söder noch vor kurzem den Staatswald zum "Klimawald" und zum "wichtigen Verbündeten gegen den Klimawandel" erklärt und als Zeichen der Wertschätzung sogar Bäume umarmt hat. Einige Zeit später werden im Staatswald eben diese Verbündeten mit schwerem Gerät abgesägt.

 

Geht man so mit "Verbündeten" um?

 

Die Frage ist nicht nur berechtigt, sondern wirft den Verantwortlichen für die Bewirtschaftung des Staats- und Kommunalwalds in Bayern mangelnde Bereitschaft vor, den dringend erforderlichen Schutzmaßnahmen in Zeiten des Klimawandels nachzukommen. Nach den Erkenntnissen der unabhängigen Wissenschaft schwächen derartige Eingriffe in die Wälder  immer und ohne Ausnahme den Restbestand.

  • Das kühle Innenklima des Buchenwaldes verändert sich durch die Auflichtung des Kronendaches, denn die Sonneneinstrahlung trifft ungehindert auf den Waldboden und entzieht ihm seine Feuchtigkeit.
  • Das lebensnotwendige Netzwerk der Bäume im Waldboden wird geschwächt bzw. zerstört. Die in symbiotischer Weise mit den  Baumwurzeln vernetzten Pilzhyphen brauchen Feuchtigkeit, keine Steppentemperatur.
  • Der Wald insgesamt wird durch das Aufreißen des Kronendaches anfälliger für Krankheiten und Windbruch.
  • Der Waldboden wird durch die tonnenschweren Erntemaschinen massiv verdichtet und kann weniger Wasser speichern.

„Diese Vorgehensweise verdeutlicht, wie wichtig ein zusammenhängendes Großschutzgebiet im Steigerwald ist“, betont Dr. Liebhard Löffler, 1. Vorsitzender des Bürgervereins. Die Corona- Pandemie lege das öffentliche Leben still, leider nicht das Abholzen der dicken Buchen.

 

Auf den folgenden Filmen (copyright Dr. Nikolaus Berens) ist der aktuelle Einschlag in den Steigerwald weiter  dokumentiert:

 

Aktuelle Buchenholzernte im Steigerwald. Foto-Copyright Verein Nationalpark Steigerwald.
Aktuelle Buchenholzernte im Steigerwald. Foto-Copyright Verein Nationalpark Steigerwald.

 

Der Holzmarkt sei zwar mit Fichten- und Kiefernschadholz überschwemmt und die Preise seien im Keller. Mit dicken Buchen- und Eichenstämmen sei jedoch noch Profit zu machen, denn sie seien vor allem bei Großsägern mit internationalen Geschäftsverbindungen begehrt, wie die Kennzeichnung des geschlagenen Holzes dokumentiert. Der Vereinsvorstand ist sich sicher: „Hier wird für die Welt und nicht nur für die Region gesägt und das Holz der langen Wege gelangt bis nach China.“

 

Immer wieder stellt sich daher die Frage, wieso im Hinblick auf die Bewirtschaftung unserer Wälder der Maßstab nicht an einen sinnvollen und nachhaltigen, sparsamen  Verbrauch des wertvollen Rohstoffs gelegt wird, sondern stattdessen den Interessen eines  holz- und zellulosehungrigen, am Massenverbrauch orientierten Weltmarktes folgt?  Zudem ist trotz Großmaschineneinsatzes und  Einsparung von Fachpersonal die Waldbewirtschaftung im Staats- und Kommunalwald vielerorts defizitär oder nur durch schmale Erlöse gekennzeichnet.

 

Das großflächige Absterben der Fichtenmonokulturen hat die Lage noch verschlimmert. Was bedeutet: gerade hier müssten die gesetzlich verankerten Gemeinwohlfunktionen in den öffentlichen großgeschrieben und Schutzmaßnahmen vorbildlich umgesetzt werden. Wälder wie das berühmte Buchenwaldstück "Kleinengelein" sind kein "Holzvorrat", sondern hervorragende, funktionierende Ökosysteme! Doch diese flächenmäßig kleinen Schutzgebiete reichen nicht aus. Allein schon die Artenvielfalt kann hier nicht wie in einem Zoo isoliert vorkommen, was eine dauerhafte Existenz der Populationen vereitelt und weiteres Aussterben vorprogrammiert. Vielmehr muss auch die Bewirtschaftung der übrigen öffentlichen Wälder gute Bedingungen für ein gesundes Ökosystem Wald auf breiter Fläche schaffen. Das Sterben der Buchenwälder im großen Stil beginnt jedenfalls häufig erst dann, wenn die Forstwirtschaft massiv eingegriffen hat.

 

Riesenbuchen in der Waldabteilung Kleinengelein, einem der berühmtesten Waldbestände Deutschlands. Foto-Copyright Berndt Fischer
Riesenbuchen in der Waldabteilung Kleinengelein, einem der berühmtesten Waldbestände Deutschlands. Foto-Copyright Berndt Fischer

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen kommt laut Pressemitteilung auch im Steigerwald in der Bewirtschaftung die wissenschaftlich bestätigte Tatsache zu kurz, dass vor allem ältere und intakte Buchenwälder das feucht-kühle Waldinnenklima erhalten, Stürmen besser widerstehen und als Wasser- und Co2- Speicher nicht nur für die Menschen lebensnotwendige Ressourcen sichern. Dass Förster, wie behauptet, im Steigerwald einen klimatauglichen Wald "bauen" können, ist hingegen mehr als fraglich und wird auch innerhalb der Forstwirtschaft bezweifelt. Angesichts einer unsicheren Klimaentwicklung (sollte der Golfstrom seine Auswirkungen auf unsere Klimazone ändern, müssten wir statt mit Hitze bei uns mit Kälte rechnen!) ist es kaum sinnvoll, bestehende Wälder zu zerstören, um modellhaft künstliche Wälder mit bestimmten Baumarten zu etablieren.

 

Der Bürgerverein Nationalpark Steigerwald  schließt sich deshalb dem Appell der unabhängigen Waldexperten an, angesichts des Klimawandels den Einschlag im Staatsforst sofort zu beenden.

 

Artikel auf der Homepage des Vereins Nationalpark Steigerwald:  In Frieden ruhen die Buchen?

 

Süddeutsche Zeitung (SZ): Streit im Steigerwald: Staatsforsten sägen alte Buchen um

 

Der Steigerwald ist übrigens das zweitgrößte Laubwaldgebiet Bayerns und besteht zu 70 % aus Buchen. Derzeit gibt es hoffentlich ernsthafte Bestrebungen, den nördlichen Steigerwald als Nationalpark auszuweisen, er wäre dann der 15. in Deutschland mit ca. 10.000 – 11.000 Hektar Fläche. Als Begründung angeführt wird die ökologische Vielfalt der nicht mehr bewirtschafteten Buchenwälder und ihre typische Artenvielfalt für die Vogelwelt (Spechtarten wie Mittelspecht, Grauspecht, Trauer- und Halsbandschnäpper und Sperlings- und Raufußkauz), Säugetieren (15 Fledermaus-Arten) und die die Artenvielfalt der Insekten und Pilze.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Steigerwald

 

Nicht nur er ist dringend auf alte Wälder angewiesen: Der seltene Zwergschnäpper ist als Bewohner der oberen Stamm- und Kronenregionen alter Bäume kaum zu sehen, fällt aber durch seinen Reviergesang auf. Foto-Copyright Berndt Fischer.
Nicht nur er ist dringend auf alte Wälder angewiesen: Der seltene Zwergschnäpper ist als Bewohner der oberen Stamm- und Kronenregionen alter Bäume kaum zu sehen, fällt aber durch seinen Reviergesang auf. Foto-Copyright Berndt Fischer.