Die Forderung der Bürger nach effektivem Waldschutz im Superwahljahr 2021 - gibt es in der Politik ein echtes Interesse an sinnvollen Maßnahmen oder ist dort
"Waldschutz" nur eine leere Versprechung und Beruhigungspille vor den handfesten Lobbyinteressen der Holzwirtschaft? Ein Anlass, kritische und nicht selten verzweifelte Bürgerberichte aus allen
Bundesländern zu kommentieren.
von Susanne Ecker
Bundesweit gehen immer mehr Bürger in die Offensive gegen eine stur als "nachhaltig" proklamierte Forstwirtschaft, die den Bürgerwald vorrangig als Wirtschaftsunternehmen wertet und die Bereitstellung holzwirtschaftlicher Erzeugnisse bewusst und ignorant (weil entgegen höchstrichterlicher Klarstellung) vor die Gemeinwohlfunktionen und den Naturschutz stellt. Unzählige Zuschriften, Einträge in Facebookgruppen und kollektives Aufbegehren erholungssuchender Bürger in den Staats- und Kommunalwäldern untermauern die Befürchtungen, die angesichts massiv durchforsteter und ihrer Altbäume weitgehend beraubter Flächen nicht verwundern. Wald ist zum multifunktionalen Sehnsuchtsobjekt wirtschaftlicher Interessen mutiert, die sich groteskerweise allesamt den Klimawandel auf die Fahnen geschrieben haben. Also selbst die Vermarkter von sinnlosen Papierverpackungen und Wegwerfartikeln, denen ein FSC Siegel genügt, um sich als Vorreiter im Waldschutz zu vermarkten.
Wie sonst kann man den weiterhin bundesweit ungebremst massiven und allerorts beklagten Einschlag alter Buchen und Eichen in Zeiten des Waldsterbens 2.0 rechtfertigen? Wie sonst kann man die sture Verweigerung gegenüber den mehr als dringlichen Mahnungen von Waldökologen und Naturschutzfachstimmen erklären? Sollten sich nicht gerade die Politiker vom Dorf da unten bis zum Staat da oben, eifrig um das Wohl ihrer Bürger besorgt, Wissen und Einsicht in die tatsächlichen und überall nachlesbaren Waldverhältnisse erwerben, um sich nicht hinter Phrasen verstecken zu müssen und die Vorgänge im Wald einfach "hilflos" abzunicken? Nicht zuletzt deshalb, weil Wald eben ein hohes Gut für die Erholung und damit auch von touristischem Interesse ist, das Leben in wirtschaftsschwache Regionen bringt?
Ja, seit Corona ist der Wald auf Hochglanzpapier erst recht ein "Ort der Stille und der Erholung", ein "faszinierendes Refugium der Natur", auf das man allenthalben stolz ist. So werben selbst die Landesforsten. Aber wer will schon durch eine nach dem Winter aufgerissene und zerwühlte Baumreste-Region wandern und dort seine coronageschädigte Seele aufbauen? Die Zuschriften, die uns erreichen, zeigen die immense Betroffenheit der Bevölkerung, die wahrlich nicht gegen Holzernte, wohl aber gegen diese ertragsorientierte Zerstückelung und industrielle Ausräumung einer gerade nicht mehr die Sinne streichelnden Forstlandschaft ist.
Seien wir doch endlich entgegen allen Wünschen nach immerwährendem Wohlstand mal ehrlich: Sparsamkeit im Umgang mit dem hochwertigen Rohstoff Holz und sanfte Bewirtschaftung sind die einzige Möglichkeit, die Resilienz (Widerstandskraft) der Wälder zu erhalten und der Artenvielfalt in den unverzichtbaren Altbeständen Raum zu geben. Doch davon ist weithin nichts zu hören und zu sehen, auch nicht von den Landesforsten, die in Zeiten des Klimawandels erst recht vorbildlich und vorausschauend wirtschaften müssen (weil ihnen die Wälder eben nicht gehören, wie manchmal irrtümlich zu lesen und zu hören ist).
Natürlich, die Förster können den Klimawandel nicht stoppen, dazu bedarf es selbstverständlich umfassender und groß angelegter Schritte. Aber sie könnten die noch bestehenden Wälder engagiert schützen und sich gemeinsam mit den Bürgern mutig vor ihre Schutzbefohlenen stellen, statt ihr Holz wegen zahlkräftiger Abnehmer nach China zu verschiffen (wie vor Kurzem in einer Regionalzeitung offenherzig und ehrlich vom Förster berichtet). Nebenbei - viele Chinesen reisen nach Europa, um hier die gute Luft zu genießen. Allein das sollte uns schon zu denken geben.
Buchenwälder, die mittlerweile mehrheitlich zu ausgedünnten unästhetischen Stangenlandschaften ohne Artenvielfalt verkommen sind, haben mit einem gesunden Wald so viel zu tun wie ein Maisacker mit einer Naturwiese. Wirtschaftliche Interessen werden hinter waghalsigen Theorien zur CO2 Speicherung durch intensive Bewirtschaftung (längst widerlegt) versteckt und die Bürger mit aufwendigen PR-Maßnahmen "Wir für den Wald" über die wahren Interessen im Hintergrund getäuscht. Mehr noch, sie werden angesichts einer angeblich notwendigen Behandlung der Wälder durch vermeintlich "gute fachlicher Praxis" bewusst in die Irre geführt. Noch immer ist diese Praxis ein schwammiger Begriff, dessen klare Definition der Bürger vergeblich sucht.
Da offensichtlich die Einsicht der den Wald allerorts pflegenden Fachleute in die massiven Schäden durch Schwermaschineneinsatz und viel zu hohe Einschlagsvorgaben völlig fehlt und weiter schöngeredet wird (per Weisung von oben, das muss in der dort vorherrschenden hierarchischen Struktur zum Schutz der Forstbeamten betont werden), bleibt den Bürgern landauf, landab nichts weiter übrig, als immer lauter ihre Stimme zu erheben und für den Bürgerwald (Staats- und Körperschafs-/Kommunalwald) sozusagen "auf der Straße" zu streiten. Was für ein Armutszeugnis in einem Land der Bildung und des Fortschritts.
Die Hinweise mancher Wortführer pro Forstwirtschaft auf die ungebremste Naturzerstörung "anderenorts" (wir seien hier doch schon viel besser) sind ein sinnloser Fingerzeig und ein Ablenkungsmanöver. Wir sollten es besser wissen und ohne gegenseitige Diffamierung aus den Fehlern der Vergangenheit lernen - weil wir es können, weil wir es sollen. Wir leben in einer Demokratie, das muss uns im Wahljahr 2021 besonders bewusst sein.
Denn Waldschutz ist nicht, wie so gerne aus den Reihen der Holzlobby vorgetragen, das irrationale Interesse rosarot bebrillter Städter - die mittlerweile seltene Tier- und Pflanzenarten der Wälder eher in ihren alten Parkbäumen, als Landbewohner in den Wirtschaftswäldern vorfinden - sondern ein echtes Interesse an einem sensiblen Ökosystem, das wie Berge und Meere absolut IN DER FLÄCHE und nicht im RESERVAT geschützt werden muss. Bewirtschaftung ja, aber nicht als "Holzacker". Das verlangt von Politikern gerade jetzt im Wahljahr den Verzicht auf nachgeplapperte Worthülsen und endlich echte Weiterbildung in Sachen Waldökologie und Klimawandel. Angebote dazu gibt es in Medien und Fachbüchern ausreichend und selbst für Laien hervorragend aufbereitet.
Wichtig auch die Unterscheidung: Privatwälder unterliegen dem Eigentumsschutz. Aber die Staats- und Köperschafts-/Kommunalwälder eben nicht. Hier hat der Bürger das Sagen und hier soll der Wald nach Worten des Gesetzgebers vorrangig die lebenserhaltenden Elemente Wasser und Luft schützen. Nebenbei bemerkt - auch ohne diese "Aufgaben" ist der Wald als Ökosystem ein Lehrstück für die Komplexität natürlicher Zusammenhänge, die wir noch lange nicht durchschaut haben, als deren Teil wir aber entstanden sind. Nicht der Mensch entscheidet über Existenz oder Nichtexistenz. Seine vermeintlich die Natur steuernden Eingriffe könnten ihn deshalb eines Tages das eigene Leben kosten. So viel zur Selbstherrlichkeit des "Wir machen die Wälder fit für den Klimawandel".
So wäre es auch prima, würden endlich einmal alle den grauenerregenden Widerspruch begreifen, unter dem man hierzulande das Wort "Naturschutzgebiet" verwendet. Nein, eben kein unangetasteter Freiraum für die Natur, sondern im Wald ein freimütig holzwirtschaftlich eingeplantes Vorzeigeobjekt, meist ohne handfestes Schutzbestreben. Dazu Naturschutzbehörden, die chronisch unterbesetzt diese Gebiete der Selbstkontrolle der Forst- oder Landwirtschaft überlassen (müssen). Die aktuelle Klage der EU wegen Missachtung der Schutzvorgaben für Natura 2000/ FFH Gebiete spricht Bände. Deshalb könnte man seelenruhig den gesamten Wirtschaftswald zum Naturschutzgebiet erklären. Ein zahnloser Tiger, der kaum etwas da draußen ändern würde. Schon deshalb kann man das Toben der Forstwirtschaft gegen Naturschutzbestrebungen im deutschen Wald nicht nachvollziehen. Was um Himmels Willen würde das aktuell denn ändern? Genau. So gut wie nichts.
Die noch halbwegs intakten Laubwälder in Deutschland sind mittlerweile auf ein absolutes Minimum geschrumpft. Es ist deshalb fraglich, was überhaupt noch aus den Klauen eines überbordenden Holzhungers gerettet werden kann. Die abgeholzten Tropenwälder oder die von den Giganten der Holzpellet- und Möbelindustrie ins Visier genommenen Restbestände rumänischer Buchenurwälder und borealer Nadelwälder jedenfalls finden wir verkleinert, aber analog vor unserer eigenen Tür. Indem wir für unsere Wälder lernen, lernen wir auch für die Wälder der Welt.
Und bitte keine Illusionen - unser massiver Holzeinschlag verhindert keineswegs die Ausbeutung anderenorts. Logischerweise wäre dort der Waldschutz dann längst Routine, aber das Gegenteil ist der Fall. Deshalb bleibt uns wohl nicht anderes übrig, als in bundesweiten Bürgerinitiativen engagiert der keineswegs "nachhaltigen" Bewirtschaftung unserer Wälder entgegen zu treten und unseren Vertretern, den Politikern in Stadt und Land, im Wahljahr gehörig auf die Füße zu treten. Denn nur dann, wenn es um Wählerstimmen geht, hören sie uns vielleicht zu.
Bürgerinitiativen sind mittlerweile gut gebildet und ein Sprachrohr aktueller wissenschaftlicher Erkenntnissse und Forderungen, die man in der Politik erst dann wahrnimmt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Vorher wirft man ihnen Panikmache vor. Aber besser ein bisschen mehr Panik als blindes Selbstvertrauen.
Was wir Bürger im Waldschutz von unserer Politik fordern ist ganz einfach auf den Punkt zu bringen und entspringt weder mangelnder Kenntis noch irrealem Ökowahn: engagierter Waldschutz in den drängenden Zeiten des Klimawandels und vor allem Einsicht in notwendigen Verzicht statt in verschwenderische Nutzung - hier wie anderswo.