NRW: Ostwestfalen Kreis Lippe - Silberbachtal bedroht

von Annette Heuwinkel-Otter

 

Gasthaus Silberbachmühle, Foto F. Möller
Gasthaus Silberbachmühle, Foto F. Möller

 

Das Forstamt des Landesverbandes Lippe will im Silberbachtal, einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet (NSG) mit hohem europäischen Schutzstatus (FFH-Richtlinie) über 2.000 alte Fichten fällen. Für den forstlicher Eingriff wurde das Tal bereits abgesperrt. Der Landesverband begründet die Eingriffe mit den von abgestorbenen Bäumen ausgehenden Gefahren. Der BUND-Lippe will diesen Eingriff in die Natur verhindern.

 

Der Silberbach entspringt zwischen den Dörfern Kempen und Feldrom, der Stadt Horn-Bad Meinberg zugehörig. Zwischen Heesten und Vinsebeck fließt er in den Heubach, der in Steinheim in die Emmer mündet. Sein Name beruht auf Silberfunden in den Jahren 1711/12. Das schöne, waldreiche, Silberbachtal schlängelt sich vorbei über die Sandsteinklippen am Velmerstots, dem nördlichsten und höchsten Berg des EggeGebirges in Nordreihn-Westfalen.

 

In einem von der Natur eindrucksvoll gestalteten Kerbtal unterhalb der Velmerstot verzaubert der leise dahinplätschernde Silberbach alle Menschen die hierher kommen. Auf der Website von Horn-Bad Meinberg findet sich eine einladende Beschreibung, u.a. " Das wildromantische Silberbachtal ist eines der beliebtesten Wanderreviere im Naturpark. ... Das Waldhotel Silbermühle liegt direkt an einem kleinen Weiher am Fuße des Silberbachs. Es ist ein beliebter Ausgangspunkt für Ihre Bergwanderung durch den wunderschönen Buchenwald." Die Silbermühle, ehemaliges „Packhaus“ zum Auswaschen von Silbererz, wurde 1711 umgebaut zu einer Mahlmühle. 1895 entstand hier eine Gastwirtschaft. Der Mühlenbetrieb erfolgte bis 1927 (Foto).

 

Das Schöne an dem Silberbach ist, das enge, besonders reizvolle Tal mit einem direkt neben dem Bach gelegenen, bewurzelten, felsigen Wanderweg. Natursuchende wandeln entlang des gurgelnden Baches unter Bäumen, gesäumt von Bachminze und anderen wohlriechenden Blumen und Kräutern. Hier ist es naturbelassen und abgelegen; Verkehrslärm hört man gar nicht. An den Talhängen finden sich alte Steinbrüche, in denen seit dem 14. Jahrhundert der Osningsandstein, ein begehrter Baustein, abgebaut wurde.

 

Ursprünglich trug der Bach den namen "Möllenwasser" weil viele Mühlen seine Wasserkraft nutzten. Die erste Mühlenkonzession wurde 1612 vom lippischen Landesherren vergeben. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts existierten noch viele Mahl, Schleif-und Walkmühlen. Heute finden sich noch Überreste von Silber-, Boll- und einer Schleifmühle.

 

In dieser geschichtsträchtigen, wunderschönen Region sollen nun Kahlschläge erfolgen. Das Forstamt des Landesverbandes Lippe hat angekündigt über 2.000 alte Fichten fällen zu wollen (Foto). Der BUND Lippe fordert darauf zu verzichten und den Eingriff zu überdenken. Solch ein Kahlschlag, erfolgt mit schweren Forstmaschinen. Das enge, reizvolle, mystisch anmutende Tal würde verwüsten und in seiner naturbelassener Schönheit zerstört, so der BUND.

 

Auswirkungen solcher Eingriffe sind am Oberlauf bereits zu sehen, wo das Regionalforstamt Hochstift im letzten Jahr am Osthang Fichten gefällt hat. „Baumfreie Hänge und zerstörte Wanderwege gerade in diesem, für Naturfreunde besonders attraktiven Bereich der Egge sind vermeidbar“, erklärt Stephan Culemann (BUND-Kreisgruppe Lippe).

 

Dem Argument des Landesverband Lippe, die Eingriffe seien notwendig, da von abgestorbenen Bäumen Gefahren ausgehen, wird widersprochen. Im Wald gibt es für den Waldbesitzer keine Verkehrssicherungspflicht für waldtypische Gefahren. Das hat der Bundesgerichtshof in einem rechtsgültigen Grundsatzurteil festgestellt. Experten und Förster des Landesbetriebes Wald und Holz (Münster) erklären dazu: „Waldtypische Gefahren“ gehen von lebenden sowie von toten Bäumen aus.

 

Am Wanderweg im Silberbachtal stehen überwiegend Fichten, die durch Borkenkäfer abgestorben sind. „Mehr Verkehrssicherheit lässt sich hier auch mit wenigen, naturschonenden Eingriffen bei Bäumen am Wegesrand herstellen. 2.000 Bäume müssen dafür nicht gefällt werden“, so Stephan Culemann. Ganz im Gegenteil: "Das Belassen toter Bäume fördert die Wiederbewaldung." erklärt Culemann.

 

Werden tote Bäume im Wald belassen, bieten sie einen gewissen Schutz für die Böden und den Silberbach. Besonders an den Hängen abseits der Wege hat das viele Vorteile. Ein Verzicht auf ein Befahren mit schweren Forstmaschinen, vermeidet Schäden am Waldboden. Das ist besonders an den Steilhängen im Silberbachtal wichtig. Belässt man Totholz im Wald, schützt es den Waldboden vor starker Austrocknung. Die Naturverjüngung, junge Bäumchen, die sich hier im lichten Fichtenwald bereits breit gemacht haben, wird geschont. Das ist ein immenser Beitrag zur Biodiversität, denn von totem Holz im Wald leben viele Pilz- und Insektenarten.

 

Erfahrungen aus Naturwäldern zeigen: Wo tote Fichten stehen bleiben, stehen sie oft noch Jahrzehnte. Beispielsweise kann man im Nationalpark Kellerwald-Edersee (Hessen) solche abgestorbenen Waldbestände sehen und sie durchwandern. Unfälle sind bislang nicht bekannt.

 

Aus diesen Gründen fordert der BUND: „Das Forstamt des Landesverbandes Lippe soll im Silberbachtal auf Fichtenkahlhiebe verzichten. Der öffentliche Wald hat vorrangig dem Gemeinwohl zu dienen. Gerade in diesem hochsensiblen Naturbereich müssen besonders die Belange des Naturschutzes und die naturbezogene Erholung im Blickpunkt stehen“.

 

Das Silberbachtal ist ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet (NSG) mit hohem europäischen Schutzstatus (FFH-Richtlinie). Zukünftig soll es auch Teil eines Nationalparks Senne-Teuto-Egge sein.

 

Gerne an das Forstamt wenden und seine Meinung kund tun: h.kaiser@landesverband-lippe.de

 

Literaturtipp:

 

Fichtenmonokulturen prägen das Erscheinungsbild vieler Wälder, obwohl sie natürlicherweise nur in Hochlagen wachsen.

Die immergrünen Nadeln sorgen dafür, dass sie kurze Vegetationsphasen optimal ausnutzen können. Viele dieser Wälder sind nach 3 Dürrejahren in Folge bereits verdurstet. Aber ihr Totholz ist eine schützende Grundlage für die natürliche Wiederbewaldung mit Pionierbaumarten. Foto: F. Möller

Ein Wald, der von der FBG Saar-Hochwald w.V. auf genau diese Weise mit Hilfe der Naturprozesse quasi kostenlos "umgebaut" wird. Im Schatten und Wasserückhalt  der absterbenden Fichten finden junge Buchen bereits ein hervorragendes Auskommen.

Das Räumen der Fläche mit Schwermaschinen hätte hingegen eine planierte, verdichtete und sonnenexponierte Fläche hinterlassen, in der Baumpflanzungen in der Regel vertrocknen - im Staatswald bedeuten solche Aktionen hinausgeworfene Steuergelder. Foto: K.Borger

 

Literaturtipp:

https://fbg-saarland.de/pdf/Waldvitalisierung.pdf

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