2021 - Gute politische Entscheidungen für die Zukunft unserer Wälder?
von Susanne Ecker
Klimawandel und Dürrejahre erfordern nicht kurzfristiges Handeln, sondern weitreichende Entscheidungen. Anders als im Agrarbereich wachsen Wälder nicht alle Jahre neu und anders, so dass Fehlentscheidungen langfristige Folgen haben. Also genau das, was wir aktuell als Waldsterben 2.0 erleben. Als BBIWS nehmen wir uns deshalb im Wahljahr Zeit, um für uns Bürger die politischen Vorgänge rund um den Wald näher zu beleuchten. Denn Lippenbekenntnisse reichen nicht aus, um Katastrophen aufzuhalten.
Dabei fällt immer wieder auf, dass Politiker aller Ebenen und Parteien recht wenig über "den Wald" als Ökosystem wissen. Offensichtlich fehlt es mancherorts und vor allem auf Bundesebene an sachkundigen Beratern dazu. In der Regel verlassen sich Politiker (mit wenigen rühmlichen Ausnahmen) auf Informationen aus den Forstverwaltungen und der Forstpolitik.
Entsprechend werden leere Phrasen in Sachen Waldschutz immer wieder aufgewärmt und verbreitet, obwohl sie wissenschaftlich längst widerlegt sind. Etwa die Aussage, menschengemachte Forsten führten zu mehr Artenvielfalt. Oder ein bewirtschafteter Wald speichere mehr CO2 als ein naturnaher Wald mit gesundem Humusaufbau, altem Baumbestand und geschlossenem Kronendach. Oder noch gravierender: man müsse das Holz (sprich den Wald) intensiv nutzen, sonst setze das verfaulende Totholz CO2 frei - was nicht weniger bedeutet, als dass Naturwälder mit dem für Artenvielfalt, Wasserspeicherung und Nährstoffbereitstellung so wichtigen hohen Holz- und Totholzvorrat auf fatale und profitorientierte Weise grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Noch dazu wird der Bürger damit im wahrsten Sinne des Wortes für dumm verkauft. Denn das in großen Mengen und oft minderer Qualität vermarktete Nadel- und Buchenholz setzt als Brennholz oder in Wegwerfprodukten das CO2 spätestens in der Müllverbrennungsanlage wieder frei. Also nichts mit nachhaltig und schon gar nichts mit Klimaschutz. Und selbst Schalhölzer am Bau oder günstige Holzmöbel sind heutzutage Wegwerfprodukte, also keineswegs durch langfristige Nutzung darstellbar. Die Krönung des Ganzen ist der hohe Holzexport nach China und in die USA. Nicht nur, dass hier vor Ort das Bauholz knapp wird, entgegen den Versprechen des Klimaschutzes wird damit der ökologische Fußabdruck der Holznutzung ad absurdum geführt.
Gerade Politiker müssen in Krisenzeiten einfach mehr tun, als eifrig Nacherzählung zu üben. Vielmehr wird die sorgfältige Expertise und vor allem der Perspektivenwechsel zur klimaschützenden Notwendigkeit. Da alle aufgefordert sind, ihren Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft zu leisten, hat sich der Buchenwaldexperte Norbert Panek um die hessischen Wälder in einem Briefwechsel intensiv bemüht. Die BBIWS hat diesen Vorgang aufmerksam verfolgt, da wir begreifen wollen und müssen, wie es nun konkret um die Aussichten für unsere Wälder und dabei vor allem um die Staats- und Kommunalwälder in Bürgerhand bestellt ist. Denn wer die Bürger - wie allerorts geschehen - auffordert, sich für ihre Wälder zu interessieren, massiv Steuergeldern einzusetzen und auch tatkräftig bei Pflanzungen vor Ort mitzuhelfen, der muss gleichermaßen bereit sein, die damit verfolgte Waldstrategie nachvollziehbar offenzulegen.
So heißt es im Brief Paneks zur Zukunft der Waldbewirtschaftung in Hessen:
"Ich habe noch weitere Kritikpunkte, die sich auf den derzeitigen Umgang mit unseren hessischen
Wäldern beziehen. Als gravierendes Beispiel nenne ich die derzeit übliche Behandlung der
Kalamitätsflächen, die ohne Rücksicht auf ökologische Verluste geräumt und mit schwerem Gerät
traktiert werden. Derartige bodenschutzrechtlich fragwürdige Schadholz Räumungen in Form von
Großkahlschlägen führen zur weiteren Aufheizung und Austrocknung der Landschaft und verringern
zudem auch die Wiederbewaldungschancen erheblich. Oberstes Ziel sollte es doch aktuell sein, die ökologische Funktionstüchtigkeit der Waldökosysteme zu erhalten, ihre Fähigkeit zu fördern, das Wasser zurückzuhalten/ zu speichern sowie die Landschaft zu kühlen...Der vorgestellte 12 Punkte Plan für die hessischen Wälder lässt keine Änderung der Waldbewirtschaftung und der waldbaulichen Strategie erkennen, obwohl angesichts der massiven ökologischen Krise, in der unsere Wälder stecken, akuter Handlungsbedarf besteht. Die Frage, welchen Anteil die derzeitige Waldbehandlung an dieser Krise hat, wird nicht gestellt."
Die Antwort der GRÜNEN zur "Zukunft der Waldbewirtschaftung in Hessen" wirkt in manchen Punkten veraltet und standardisiert. Die bereits seit Jahren breit geführte Diskussion zu den offensichtlichen Mängeln des FSC Siegels scheint dort nicht bekannt oder wird komplett ausgeblendet. Waldschützer reiben sich deshalb ob der folgenden Sätze verwundert die Augen:
"Die Einführung des FSC-Standards leistet hier einen wichtigen Beitrag, den Hessischen Staatswald in ökologischer Sicht nochmals deutlich aufzuwerten und dies transparent zu dokumentieren. Der FSC-Standard bietet dem Land Hessen zudem ein starkes Instrument, im Staatswald ein deutliches Zeichen für die Artenvielfalt zu setzen und dies für die Verbraucher*innen zu kommunizieren"
Obwohl in hessischen Forstrevieren noch immer Nadelholz-Monokulturen - oft sogar als Ersatz für die Fällung gesunder Buchenwälder - angelegt werden, scheint man realitätsfern vom Gegenteil auszugehen. Noch dazu werden alle Ansätze natürlicher Wiederbewaldung mittels Verzicht auf Flächenräumung und Zulassen von Pionierbaumbewaldung lieber ersetzt durch teure Wiederaufforstungsprogramme:
"Dass Monokulturen kein Zukunftskonzept sein können, versteht sich von selbst und ist nicht erst durch die sichtbar gewordenen Auswirkungen der Klimakrise offenkundig... wir müssen den Wald so schnell wie möglich nachhaltig an die Klimaveränderungen anpassen. Deshalb investiert Hessen bis 2023 die Rekordsumme von über 250 Millionen Euro in den Wald, denn die Beseitigung von Waldschäden, die Wiederbewaldung und der Waldumbau kosten viel Geld."
Der Buchenwaldexperte gibt nicht auf. In einem weiteren Brief weist er auf die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit hin und spricht damit der Erfahrung vieler Bürger in Waldschutzinitiativen aus der Seele, die auch 2021 die fortgesetzte Auflichtung alter Buchenwaldbestände und die hohen Einschläge ins Laubholz beobachten:
"Meiner Forderung nach einer notwendigen bzw. grundlegenden ökologischen Neuausrichtung des
Landesbetriebs HessenForst sind Sie mit Hinweisen auf geänderte Richtlinien (Bewirtschaftung/
Naturschutz) elegant ausgewichen. Die Richtlinien lassen nach wie vor bis auf einige kosmetische
Korrekturen keine gravierenden Änderungen der waldbaulichen Strategie erkennen. Die derzeitige
forstliche Praxis (kahlschlagähnliche Schadholzräumung, Großschirmschläge in Altbuchenbeständen, erhöhte Ausdünnung der Baumbestände durch Pflege- und Lichtungshiebe verbunden mit erheblichen Absenkungen der Holzvorräte und damit auch der Kohlenstoffspeicher etc.) werden nicht einmal in Frage gestellt, geschweige denn überhaupt thematisiert. Auf die von mir beschriebene „Wirkungslosigkeit“ des FSC Zertifikats, das lediglich das regelt, was ohnehin „gute forstfachliche Praxis“ sein sollte, gehen Sie nicht ein...
Zum Thema Einschlagmoratorium für alte Buchen begrüße ich eine Fortsetzung des
Einschlagstopps, aber warum wird es nicht auf die außerhalb der Natura 2000 Kulisse liegenden
Altbuchenbestände ausgedehnt? Es ist löblich, die sogenannten Methusalembäume (BHD ab 100
cm) dauerhaft zu schützen. Laut Bundeswaldinventur sind solche Bäume allerdings statistisch nicht
mehr vorhanden, weil sie die Erfassungsgrenze erheblich unterschreiten. Bei den Buchen ab
Brusthöhendurchmesser 90 cm im Staatswald sind es rund 9.600 Bäume auf einer Fläche von rund
326.000 Hektar! Bei normaler Bewirtschaftung werden Buchen bei HessenForst maximal 140 bis
160 Jahre alt und erreichen je nach Standort einen Durchmesser von höchstens 70 cm. Das
Ansinnen, „alte, dicke Bäume zu schützen“, lässt sich sicherlich medienwirksam gut verkaufen, ist
aber reine Rosstäuscherei und grüne Symbolpolitik!"
Norbert Panek kritisiert aber nicht nur, sondern er stellt klare und inhaltlich fundierte Forderungen in den Raum, die ein sprachliches Verwischen nicht zulassen und die nötigen Handlungsfelder benennen. Auf die vorgeschlagene Weise würde die Forstwirtschaft endlich einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Wirtschaftswäldern praktizieren, von dem wir aber aufgrund der aktuell vorherrschenden Ausrichtung auf profitable Holzerträge noch weit entfernt sind.
Vielleicht finden sich im Wahljahr 2021 ja doch in diesem oder anderen Bundesländern noch waldaufmerksame politische Programme, die die folgenden Vorschläge Paneks dankbar aufnehmen. Die Waldschutzbürger würden es sicher mit ihren Stimmen danken:
"Aus der derzeit akuten, klimabedingten Bedrohungslage ergeben sich aber einige ganz klare
Forderungen als „Sofortprogramm“, um Wälder vorrangig als Wasser- und Kohlenstoffspeicher zu
optimieren und damit dem Klimawandel wirksam zu begegnen:
- Sofortige Unterlassung der Flächenräumungen im Schadholz, Zulassen einer „gesteuerten“ natürlichen Sukzession. Ausnutzung des natürlichen Vegetationspotenzials/ Förderung heimischer Laubbaumarten (das bedeutet dann auch: weitgehender Verzicht auf die hochrisikoreiche Einführung von Baumarten ausländischer Herkünfte).
- Nachwachsenlassen von Holz (Vorratsaufbau) in noch intakten Forstbeständen, d. h. Erhöhung der Holzvorräte durch weniger Holzeinschlag. Bestände alt werden lassen, Totholz erhalten.
- Kahlschlagähnliche Ernte und Verjüngungsverfahren wie z. B. Schirmschläge umgehend unterbinden. Einzelstammorientierte Wertholzerzeugung fördern.
- Statt Förderung nach dem „Gießkannenprinzip“ Bereitstellung von Mitteln zur gezielten Unterstützung von ökologisch und klimaschutzangepassten Waldbauverfahren nach klar definierten Kriterien sowie zum Ausgleich von Nutzungsausfällen (in der Umstellungsphase).