NRW Engelskirchen: Neubaugebiet statt Wald? Der "Flächenfraßparagraf" der Bundesregierung hat böse Folgen

Bereits geräumte Waldfläche in der Verbandsgemeinde Engelskirchen
Bereits geräumte Waldfläche in der Verbandsgemeinde Engelskirchen

 

Buschhausen ist ein Ortsteil mit ca. 200 Einwohnern und gehört zur Gemeinde Engelskirchen im
Oberbergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Buschhausen ist vollständig von Wald und Wiesen umgeben. Die Gemeinde plant am Ortsrand, mitten im Landschaftsschutzgebiet, ein Neubauprojekt mit 90 Häusern. Dafür sollen mehr als 8 ha Wald und Grünflächen weichen, die von der Gemeindeverwaltung als "nicht besonders wertvoll“ eingestuft werden, obwohl nach einem
eigens von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Gutachten (Wald-Info NRW), Teile des Waldes explizit die Funktion als Klimaschutzwald erfüllen.

Viele Bewohner Buschhausens sind mit diesem Wald aufgewachsen und fühlen sich mit ihm und
seiner Tierwelt eng verbunden. Das, was von der Gemeinde hier als "entbehrlich" eingestuft wird,
ist für die Einwohner des kleinen Ortes von großem Wert. Der Wald besteht nicht nur aus Fichten, sondern auch aus vielen älteren Laubbäumen. Nach dem verheerenden Sturm Kyrill wachsen hier neben Buchen verschiedene Pionierbaumarten wie Birken, Ebereschen und Traubenkirschen. Diese haben entgegen der Einschätzung der Gemeindeverwaltung einen hohen ökologischen Wert, da sie zu einer größeren Biodiversität beitragen. Diese Einschätzung teilen vor Ort bisher leider nur die GRÜNEN und der NABU.

Die Werthaltigkeit von Wäldern bestimmt sich durch viele Faktoren.
Die Werthaltigkeit von Wäldern bestimmt sich durch viele Faktoren.

Gerechtfertigt wird das geplante Projekt damit, dass neben dem vorgeschriebenen ökologischen Ausgleich dafür in Wiehlmünden und Osberghausen auf rund 20 ha an bisher ausgewiesener Baufläche mit etwa 9 ha Wald verzichtet würde. Dieser "Tausch" bleibt allerdings sehr fragwürdig.

 

Das wohl wichtigste grundsätzliche Argument gegen solche Eingriffe in die Bestandsfläche der Wälder ist der hohe Flächenverbrauch, der im Klimawandel nicht mehr vernachlässigt werden kann, sondern ganz oben auf die Agenda der Vorsorgemaßnahmen rückt. Naturflächen sind unverzichtbare Vorrangflächen für Wasserspeicherung, Hochwasserschutz, Landschaftskühlung, Windbremsen, Rückzugsgebiete für Flora und Fauna -  die Liste lässt sich problemlos fortsetzen. Noch immer werden in Deutschland pro Tag über 30 Hektar Fläche versiegelt, der Flächenverbrauch insgesamt liegt bei ca. 60 Hektar pro Tag.

 

Geplante Rodungs- und Bebauungsfläche Buschhausen
Geplante Rodungs- und Bebauungsfläche Buschhausen

Momentan sterben Wälder im Umkreis durch Trockenheit und den Borkenkäfer. Der Ratder Gemeinde Engelskirchen hat in seiner Sitzung am 25.9.2019 die Ausrufung des Klimanotstandes beschlossen - sollten das nicht nur leere Worthülsen sein, ist es schwer vorstellbar, dass eine Vernichtung von mehr als 8 ha Wald und Grünflächen damit in Einklang zu bringen sind.

 

Zitat aus dem Internetauftritt der Gemeine Engelskirchen:

 

"Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den ökologischen Grundlagen gehört eine sorgfältige Beachtung der natur- und landschaftspflegerischen Anforderungen. Dies geschieht durch die Berücksichtigung ausgewiesener Natur- und Landschaftsschutzgebiete und des Landschaftsplanes. Bei der Aufstellung von Bauleitplänen werden die betroffenen Fachbehörden beteiligt und eine Umweltprüfung durchgeführt. Auch die intensive Zusammenarbeit der Gemeinde mit den Naturschutzverbänden und die Vorbildfunktion bei ökologischem Bauen sind von ausschlaggebender Bedeutung."

 

Sterbende Wälder im Umkreis
Sterbende Wälder im Umkreis

 

Wie der NABU am 14. Juli 2020 feststellte, hat die Bundesregierung Anfang 2018 mit der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie das 30-Hektar-Ziel für das Jahr 2020 auf das Jahr 2030 verschoben.

 

Das 30-Hektar-Ziel und eine flächensparende Siedlungsentwicklung werden durch einen Gesetzesentwurf der aktuellen Bundesregierung zum Baugesetzbuch konterkariert. Darin wird der fragwürdige Paragraf 13 b (Flächenfraßparagraf), der erhebliche Erleichterungen für den  Wohnungsbau im geschützten Außenbereich beinhaltet, verlängert. Die Politik drückt sich  hier um die dringend notwendige  Lösung des ungebremsten  Flächenverbrauchs auf Kosten des Natur- und Artenschutzes, aber auch auf Kosten der Bevölkerung, die den negativen Auswirkungen des Klimawandels häufig schutzlos ausgeliefert ist.

Natürlich verspricht sich die Gemeinde höhere Einnahmen durch neue Einwohner und lockt mit
fußläufiger Erreichbarkeit des Bahnhofs und der Ortsmitte. Dabei "vergessen" die Gemeinden aber, dass mit den neuen Wohngebieten steigende Kosten etwa für Infrastruktur u.a. verbunden sind, die mit den Einnahmen durch Steuern oft nur ein Nullsummenspiel darstellen und keine nennenswerten Gewinne verursachen.

Die Interessengemeinschaft Buschhausen kämpft deshalb in Zeiten steigender Bedeutung von naturnahen Flächen für den Erhalt ihres Waldes und fordert von der Gemeinde alternative Lösungen, die einem ungebremsten Flächenverbrauch entgegen stehen, etwa das Schließen vorhandener Baulücken  und  eine angemessene Berücksichtigung von Leerständen. Sie setzt sich aktiv für die Begrenzung dramatischer Klimawandelfolgen und den fortschreitenden Verlust von Naturflächen ein - ein Engagement, das in der Politik auf höheren Ebenen  wie auch lokal vor Ort offenbar noch nicht angekommen ist.

Kontakt:

 

IG-Walderhalt Buschhausen

Kontakt: Philippe Piazza

 

Buschhausen.Wald(at)gmail.com

 

Eine Petition der Bürger zu diesem Thema läuft hier und bittet um Unterstützung:

 

https://www.openpetition.de/petition/online/die-wald-und-gruenflaechen-in-und-um-buschhausen-sollen-erhalten-bleiben-kein-neues-baugebiet

 

Geräumte Waldfläche vor Ort - unfehlbares Zeichen fortschreitenden Klimawandels
Geräumte Waldfläche vor Ort - unfehlbares Zeichen fortschreitenden Klimawandels