Ein Impfstoff, der kränker macht - gefördert von der EU

Biomassekraftwerk © P.Ludwig-Sidow
Biomassekraftwerk © P.Ludwig-Sidow

 

Wenn eine Impfung die tödliche Krankheit, vor der sie schützen soll, verstärkt, hat eindeutig die Zulassungsbehörde versagt. Eine sich andeutende fatale Wirkung eines Impfstoffs wird aber jede Behörde dazu bringen, ihn nicht zuzulassen. Einflüsterungen der Pharmaindustrie zum Trotz würde sie ihn erst einmal wissenschaftlich prüfen lassen, bis gesichert ist, dass er die Krankheit verhindert und nicht befördert und die Nebenwirkungen unkritisch sind. - Nicht so die EU.

 

Die Krankheit heißt Klimawandel und die Impfstoffe dagegen gehören alle in dieselbe Wirkstoffgruppe: Erneuerbare Energien.

 

Nun gibt es solche und solche erneuerbaren Energien: Die physikalischen, die sich ununterbrochen erneuern - Wind oder Wasser, Sonnenstrahlung oder Erdwärme. Und die biologischen, die Zeit brauchen, um sich zu erneuern: kaum Stunden bei Algen, wenige Monate bei Energiepflanzen vom Acker, einige Jahre bei schnellwachsenden Agroforstpflanzen, mehrere Jahrzehnte bei Waldbäumen. Biomasse als Energieträger braucht nicht nur unterschiedlich lange, um sich zu regenerieren, sie hat auch meist noch andere Funktionen, die sie nicht mehr erfüllen kann, wenn sie verbrannt oder vergärt wird: Ackerpflanzen dienen der Ernährung, das Holz der Bäume benötigen wir für unsere Häuser und Möbel. Unproblematisch sind Reststoffe aus der Landschaftspflege, der Getreideernte, der Viehzucht oder der Holzverarbeitung, aber sie sind nicht in ausreichenden Mengen vorhanden, um unseren Energiehunger zu stillen.

 

Das Klima wandelt sich nicht mehr in geologischen Dimensionen über Zehntausende von Jahren, sondern im Zeitraffer über wenige Menschengenerationen. Die Ursache ist Energiegewinnung aus Rohstoffen, die sich vor Millionen von Jahren bildeten - fossile Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas, Steinkohle und Braunkohle. Bei der Verbrennung setzen sie das Kohlendioxid (CO2) frei, das sie vor Jahrmillionen aufnahmen und das bereits in homöopathischen Dosen die Atmosphäre zum Treibhaus macht. Statt fossiler Energierohstoffe brauchen wir solche, die sich erneuern: physikalische, die kein CO2 freisetzen[1] oder biologische, die nur die CO2-Mengen freisetzen, die sie bei ihrem Wachsen der Atmosphäre entzogen haben.

 

Ein Schlüssel für das Überleben im Klimawandel ist der Zeitfaktor und jeder vernünftige Mensch würde im Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht gerade den Energierohstoff wählen, der am längsten braucht, um neu zu wachsen und neues CO2 zu binden. Und er würde nicht gerade den Rohstoff verbrennen, der für andere Funktionen notwendig ist und durch stoffliche Verwendung einige Jahrzehnte CO2-speichern kann. - Nicht so die EU.

 

Hört auf die Wissenschaft - diesem Credo zu folgen lohnt sich besonders unter dem Zeitdruck von Epidemien und Naturkatastrophen. Wissenschaftler halten im Kampf gegen die Klimaerhitzung die forstliche Biomasse für ungeeignet, denn sie emittiert durch ihre geringere Energiedichte pro Energieeinheit mehr CO2 als fossile Brennstoffe (Searchinger et al. 2018). Von der Wachstumszeit hängt ab, wie lange es braucht, bis sich die Biomasse "amortisiert" hat, bis die CO2-Aufnahme durch Nachwachsen von Biomasse der Emissionsmenge ihrer Verbrennung entspricht. Am längsten dauert dies bei Holzbiomasse aus Wäldern der Nordhalbkugel: Im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk beträgt die CO2-Amortisationszeit bei der Verbrennung von 75jährigen Bäumen mehr als 50 Jahre (Laganière et al. 2015).

 

Selbst der Agrarindustrie nahestehende Wissenschaftler, die diese Rechnung methodisch anzweifeln, müssen zugeben, das forstliche Biomasse nur einen kleinen Beitrag leisten kann, nur mit ökologisch nachhaltig bewirtschafteten Wäldern Effekte erzielt und mit technischer Speicherung von CO2 (CCS) kombiniert werden müsste, wenn ihre Verbrennung einen realistischen Anteil zum Erreichen der Pariser Klimaziele haben soll (Cowie et al. 2021). Die unabhängige Wissenschaft sieht es mehrheitlich als einen Irrweg an, Holzkraftwerke als CO2-neutral zu definieren, zu subventionieren und vom Emissionshandel auszunehmen. - Nicht so die EU.

 

Die EU unterstützt in ihrer Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED) die Energiegewinnung aus Waldbäumen. 800 Wissenschaftler forderten die EU Anfang 2018 in einem Offenen Brief dazu auf, die Neuauflage der Richtlinie in Bezug auf die Verbrennung forstlicher Biomasse zu überarbeiten, da sie in der zur Verfügung stehenden Zeit keine CO2-Einsparung bedeutet und zusätzlich auch noch Wälder als wirkungsvoll arbeitende CO2-Senken vernichtet. Jeder vernünftige Staat würde deshalb, Einflüsterungen der Bioenergie-Industrie zum Trotz, seine Richtlinien genauer untersuchen lassen und verbessern. - Nicht so die EU.

 

Die EU tut das, was die Mehrheit und die Schwergewichte ihrer Mitgliedstaaten wollen, und in diesen wird Politik wesentlich von Wirtschaftslobbyverbänden gesteuert. Auch Deutschland hört lieber auf die Wirtschaft als auf die Wissenschaft und wendet sich in der EU nicht gegen die zeitlich unrichtige Deklaration der "klimaneutralen" Frischholzverbrennung. Der Wirtschaftsminister will die Verbrennung von Waldbiomasse in Kraftwerken sogar noch mit eigenen Subventionen fördern (Offener Brief an Peter Altmaier 2021).

 

Baumverbrennung in Kohlekraftwerken ist eine Klimawandel-Impfung, die die kranke Erde nicht kuriert, sondern die Erhitzung durch CO2-Emissionen und Dezimierung von Kohlenstoffsenken beschleunigt. Bioenergie aus intakten Waldökosystemen zerstört natürliche Kühlanlagen und wichtige Wasserspeicher und Regenproduzenten. Sie verschwendet Rohstoffe, die durch stoffliche Verwendung im Bausektor Kohlenstoff speichern und die doppelt CO2-intensive Zementherstellung ersetzen könnten. Zusätzlich hat Holzverbrennung Nebenwirkungen wie Emissionen von gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen und Vernichtung von Artenvielfalt.

 

Die EU handelt mit der überarbeiteten Direktive RED nicht nur gegen den gesunden Menschenverstand, sondern auch gegen die Zukunftschancen der jungen Generation.

 

Petra Ludwig-Sidow

 

[1] CO2 entsteht nur bei der Herstellung und Entsorgung der Anlage zur Energiegewinnung mit Sonne, Wind oder Wasser

 

 

Schöne Aussichten: Gehen unserer Wälder bald in Rauch auf? © P.Ludwig-Sidow
Schöne Aussichten: Gehen unserer Wälder bald in Rauch auf? © P.Ludwig-Sidow

 

Quellen:

 

Searchinger, T.D., Beringer, T., Holtsmark, B. et al. Europe’s renewable energy directive poised to harm global forests. Nat Commun 9, 3741 (2018). https://doi.org/10.1038/s41467-018-06175-4

 

Laganière, Jérôme , David Paré, Evelyne Thiffault, Pierre Y. Bernier (2015): Range and uncertainties in estimating delays in greenhouse gas mitigation potential of forest bioenergy sourced from Canadian forests.- GCB Bioenergy Vol. 9., Issue 2, Page 358 - 369. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcbb.12327

 

Cowie, A. et al. (2021): Applying a science-based systems perspective to dispel misconceptions about climate effects of forest bioenergy. - GCB Bioenergy Vol. 13, Issue 8, Page 1207-1342. https://onlinelibrary.wiley.com/toc/17571707/current

 

Erneuerbare-Energien-Richtlinie:

 

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L2001&from=DE

 

Offener Brief an Peter Altmaier gegen geplante Subventionen für die Holzverbrennung in Großkraftwerken - https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biooekonomie/210617-nabu-verbaendebrief-holzverbrennung.pdf

 

Ludwig-Sidow, P. (2020): Die Wald-Null - Eine Märchen von Klimaneutralität. https://www.bundesbuergerinitiative-waldschutz.de/2020/11/22/die-wald-null/