Die „multifunktionalen Waldretter“: Das Thema Wald in den Wahlprogrammen der Parteien

Bundesweite Waldschäden: Kahlschlagfläche Gemeinde Engelskirchen
Bundesweite Waldschäden: Kahlschlagfläche Gemeinde Engelskirchen

Der Wald in Deutschland, der zu 95 Prozent aus instabilen Wirtschaftsforsten besteht, steckt in einer tiefen Krise.

Was sagen die Parteien im bevorstehenden Bundestagswahlkampf dazu? Welche Konzepte haben sie anzubieten?

 

Sieht man von der üblichen Wahlkampf-Rhetorik ab (die in der Regel viel verspricht), erkennt man die programmatisch-inhaltlichen Unterschiede allein an der Verwendung bestimmter Begriffe. Das Wort „Waldökosystem“ erscheint in den Wahlprogrammen nur ein einziges Mal bei den GRÜNEN und die Wendung „naturnahe Waldbewirtschaftung“ findet sich sowohl bei den GRÜNEN als auch bei den LINKEN.

Die anderen Parteien meiden das Wort „naturnah“ und bekennen sich zu einer „multifunktionalen“ Forstwirtschaft (CDU/ CSU) und wollen sie fördern (FDP). Übersetzt bedeutet dies: Wir halten weiter unbeirrt an dem klassischen Modell der schlagweisen Altersklassen-Forstwirtschaft fest.

 

„Schützen durch Nützen“ (CDU/ CSU) heißt die Devise. Die Union „feiert“ ihr 1,5-Milliarden-Euro-Paket, das sie den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern als Wahlgeschenk unter die absterbende Fichte legt. Unter dem Schlagwort „Waldschutzoffensive“ möchte die FDP sogar die „Schadholzbergung, Schädlingsbekämpfung und schnelle Aufforstung“ wider jede ökologische Vernunft weiter forcieren und „Stilllegungsflächen“ nur „auf unwirtschaftlichen Gebieten“ dulden. Der Wald wird auf seine Funktion als Rohstoffreserve reduziert. Die CDU/ CSU will den Einsatz von Holz als Bau- und Brennstoff „voranbringen“ – Stichwort: „Holzbauoffensive“ – und damit den Nutzungsdruck auf unsere Wälder noch weiter erhöhen. Ähnliches schlägt die AfD vor: Auch sie möchte das „Baumaterial und den Energieträger Holz“ fördern. Zudem will die AfD den Wald von „Windindustrieanlagen freihalten.“

 

Die weiteren programmatisch knappen Aussagen zum Thema entpuppen sich als wohlfeile Wahlkampf-Prosa. Die LINKE fordert hingegen einen sparsameren Umgang mit Holz und möchte, ebenso wie die GRÜNEN, direkt aus dem Wald gewonnenes Holz löblicherweise nicht mehr industriell zu verbrennen. Schlicht und einfach muten die Aussagen der SPD zum Thema Wald an. Immerhin müssten nach ihrer Auffassung „die Wälder an den Klimawandel angepasst“ werden. Eine aktive Forstwirtschaft soll also weiter den Anpassungsprozess initiieren. Was das genau bedeutet, bleibt offen. Umfassender erscheinen die Forderungen der GRÜNEN. Sie wollen den Waldumbau nach „ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben ausrichten“, „gesetzliche Mindeststandards“ für die Waldbewirtschaftung festlegen und öffentliche Wälder trotzdem nach FSC-/ Naturlandstandards zertifizieren. Im „ersten Schritt“ sollen sich mindestens fünf Prozent der Wälder natürlich entwickeln dürfen. Wie sieht dann der zweite Schritt aus?

 

Man wird sehen, was nach der Wahl von den vielen hehren Forderungen, Versprechungen und Zielen noch übrigbleibt. Eine grundlegende „Waldwende“, wie von Ökologen und Waldschützern seit Jahren gefordert, wird wohl nicht so schnell zu erwarten sein. Das mag ernüchternd klingen. Der Wald steht weiter stumm und schweigt. Vielleicht hat die extreme Hochwasserkatastrophe in der zweiten Juliwoche 2021 einen „Weckruf“ erzeugt. Allerdings gab es in der Vergangenheit schon zu viele Weckrufe, die nicht erhört oder von der Politik oft genug weggeschwiegen wurden.

 

 

 

Massiv steigende Waldbrandgefahr in Nadelforsten © S. Ecker
Massiv steigende Waldbrandgefahr in Nadelforsten © S. Ecker

 

Auszüge aus den Wahlprogrammen:

 

CDU/ CSU

"Dem Wald von Morgen neue starke Wurzeln geben (S. 46)

 

Deutschland ist Waldland Nummer 1 in Europa. Unsere Wälder sind die grüne Lunge unseres Landes und unser wichtigster Klimaschützer. Sie produzieren Sauerstoff und speichern große Mengen von CO2. Ebenso sind sie wichtiger Wirtschaftsfaktor, sorgen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze, vor allem in ländlichen Regionen und sin unverzichtbar für die Biodiversität und unsere Erholung. Durch die Klimaveränderung ist der Wald geschädigt und bedroht. Wir haben in der Dürre der vergangenen Jahre und durch die nachfolgende Borkenkäferplage sehr viele wertvolle Wälder verloren.

 

- Bund und Länder haben ein 1,5-Milliarden-Euro-Paket für die Wiederbewaldung, die Anpassung der Wälder an den Klimawandel und für die Unterstützung der nachhaltigen Forstwirtschaft geschnürt. Dieses Paket muss auch den Kleinwaldbesitzern zugänglich sein. Damit helfen wir den Waldeigentümerinnen und Waldeigentümern beim Aufbau klimastabiler Mischwälder mit standortangepassten Baumarten.

 

- “Schützen durch Nützen“ ist unser Grundsatz für eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer wertvollen Wälder. Wir stehen zu unserer multifunktionalen Forstwirtschaft, denn nur sie sichert Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktion der Wälder gleichermaßen. Nachhaltig bewirtschaftete Wälder und besonders die Verwendung von Holzprodukten mit langen Lebenszyklen verlängern die CO2-Speicherleistung des Waldes.

 

- Damit wir die Klimaschutzziele erreichen, müssen wir neben der wichtigen Verringerung der Emissionen die CO2-Minderung von Wald und Holz stärken. Deshalb werden wir die Klimaschutzleistungen des Waldes unter Einbezug der Holzprodukte finanziell honorieren und eine CO2-Bindungsprämie einführen. So kann die Klimaleistung des Waldes dauerhaft und verlässlich abgegolten werden und ein zentraler Baustein zur Honorierung weiterer Ökosystemleistungen des Waldes sein, die wir voranbringen wollen. Auch werden wir den Einsatz von Holz als Bau-, Werk- und Brennstoff voranbringen und Hemmnisse abbauen. Dazu werden wir eine Holzbauoffensive starten.

 

- In der Europäischen Union setzen wir uns dafür ein, dass der Waldschutz ein wichtiger Bestandteil des Green Deals wird und überall in Europa mehr für die Wälder getan wird. Wir engagieren uns beim Schutz internationaler Wälder und gegen illegalen Holzeinschlag. Der Erhalt des Regenwaldes und weiterer wertvoller Naturwälder von weltweiter Bedeutung ist uns ein großes Anliegen."

 

SPD

Natur respektieren (S. 52)

 

Wir setzen uns ein für Biodiversitätspolitik, um Ökosysteme zu schützen und wiederherzustellen. Eine besondere Rolle kommt dem Erhalt unserer Wälder zu. Ebenso wollen wir den Einsatz von Düngern und Pestiziden reduzieren. Ohne leistungsstarke Kohlenstoff senken kann Deutschland nicht klimaneutral werden. Eine besondere Bedeutung fällt dabei Mooren und Wäldern zu. Bestehende Moore müssen geschützt und trockengelegte Moore müssen im großen Stil wieder vernässt werden. Wälder müssen an den Klimawandel angepasst werden, damit sie auch in Zukunft ihre wichtige Rolle für den Klimaschutz und die Biodiversität erfüllen können.

 

 

Bündnis 90/ Die Grünen

Unseren Wald retten (S. 15)

 

"Unser Wald ist durch die Klimakrise – durch Hitzewellen, Dürren und Stürmen – stark bedroht. Wir erleben heute schon ein Waldsterben, das weitaus größere Schäden anrichtet, als in den 80er Jahren durch den sauren Regen entstanden sind. Naturnahe, artenreiche und klimastabile Waldökosysteme sind widerstandsfähiger als Monokulturen. Sie halten den Wasserkreislauf in Balance und die Böden fruchtbar, speichern Kohlenstoff, reinigen die Luft, sin der Lebensraum zahlreicher bedrohter Tiere, Pflanzen und Pilze, produzieren Rohstoffe und dienen der Erholung und Gesundheitsvorsorge. Wir fördern die Entwicklung gesunder Wälder, die mehr Kohlenstoff binden, als aus ihnen herausgeholt oder freigesetzt wird. Wir wollen gesetzliche Mindeststandards festlegen, damit die Waldbewirtschaftung naturnah wird, den Umbau und die Wieder- und Neubewaldung nach ökologischen Bewirtschaftungsvorgaben ausrichten und die Waldbesitzer*innen dabei mit qualifizierter Förderung und Beratung unterstützen. Das dient auch dem ökonomischen Mehrwert. Im Einklang mit Naturschutz- und Waldbesitzerverbänden setzen wir uns für Wald-, natur- und tierschutzgerechte Bejagungsmethoden ein. Die Bewirtschaftung aller Flächen der öffentlichen Hand soll an ökologische Kriterien geknüpft werden – im Wald nach FSC- oder Naturlandstandards, in der Landwirtschaft nach Ökolandbau zertifiziert. Wir wollen als ersten Schritt mindestens 5 Prozent unserer Wälder der Natur überlassen. So schaffen wir die Urwälder von morgen. Weitere Dürrejahre vergrößern die Waldbrandgefahr. Gemeinsam mit Kommunen und Ländern wollen wir eine bundesweite Präventions- und Bekämpfungsstrategie erarbeiten."

 

 

FDP

"Schutzoffensive für eine multifunktionale Waldwirtschaft (S. 81 f)

 

Wir Freien Demokraten fördern das Konzept der multifunktionalen Forstwirtschaft mit ihren artenreichen Wäldern. Bei einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder gehen Ökonomie und Ökologie Hand in Hand. Mit einer Waldschutzoffensive wollen wir die Schadholzbergung, Schädlingsbekämpfung und schnelle Aufforstung mit klimaresilienten und standortgerechten Baumarten im Rahmen der wissenschaftlichen Erkenntnisse forcieren. Stilllegungsflächen sollten auf unwirtschaftlichen Gebieten forciert werden. Wir wollen die Gemeinwohlleistungen der Wälder marktorientiert honorieren. Förderinstrumente sollen grundsätzlich auch für die Forstwirtschaft zur Verfügung stehen. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse und damit auch Kleinprivatwälder wollen wir stärken. Holz ist der wichtigste nachwachsende Rohstoff in Deutschland. Wir wollen die Forschung für seine Nutzung in diesem Bereich ausweiten. Der Wald hat vielfältige Funktionen als Lebens- und Erholungsraum, Trinkwassergewinnung, Treibhausgassenke und Rohstofflieferant für eine moderne und innovative Holzwirtschaft, die wichtige Arbeitsplätze sichert. Die Bewirtschaftung der Wälder hat Rücksicht auf die Belange des Arten- und Naturschutzes zu nehmen. Menschen empfinden Wald als Natur pur, obwohl wir keine Urwälder mehr haben, denn alle Wälder sind von Menschen gestaltet."

 

 

Die Linke

"Biologische Vielfalt, Tiere und Ressourcen schützen

 

Der Wald ist eine zentrale und wichtige CO2-Senke und muss erhalten werden. Dies gelingt mit einer naturnahen Waldbewirtschaftung, die auf Mischwälder mit vielfältiger Altersstruktur und europäischen Baumarten setzt.

 

Holz wird auch als Baustoff immer wichtiger. Um einer Holzarmut vorzubeugen, müssen wir auch mit der Ressource Holz sparsam umgehen. Wir wollen ein viel besseres Holzrecycling mit einer Nutzungskaskade, in der die Holzverbrennung zur Energiegewinnung erst ganz am Ende steht. Energie direkt aus dem Wald ist kein Beitrag zum Klimaschutz."

 

 

Alternative für Deutschland (AfD)

 

"Unsere Wälder schützen und bewahren (S. 203 f)

 

Etwa ein Drittel der Gesamtfläche unseres Landes ist bewaldet. Um einen gesunden Wal mit Wild zu erhalten, braucht es waldbauliche Maßnahmen im Einklang mit Ökonomie, Ökologie und Naherholung. Um eine nachhaltige Bewirtschaftung und Sicherung der Wälder zu erreichen, setzt sich die AfD für eine Förderung des Baumaterials und Energieträgers Holz ein. Wir stehen für einen Abbau der ausufernden Bürokratie bei der Dokumentation in der Forstwirtschaft. Der Wald soll von Windindustrieanlagen freigehalten werden, um die wildlebenden Arten zu schützen und unseren Kindern eine intakte Natur zu hinterlassen."

 

 

 

Zusammengestellt und kommentiert von Norbert Panek

Korbach, im Juli 2021

 

 

Multifunktionale Forstwirtschaft in Deutschland
Multifunktionale Forstwirtschaft in Deutschland