Bayern: Zerstörung der Heimat „Waldsiedlung an der Grenze“

Die Geschichte erzählt von einem 84-jährigen Einwohner des idyllischen Ortes Harrlach (ursprünglich „Waldsiedlung an der Grenze“), dessen Vater bereits Bäume im benachbarten Wald gepflanzt hat und die nun für ein Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn gerodet werden sollen. Im Gegensatz zu den vielen käferbefallenen Fichten-Monokulturen hat man bereits vor 40 Jahren begonnen diesen Bannwald zu einem stabilen Mischwald umzubauen. Damit wurde die Grundlage geschaffen, dass sich dort über Jahrzehnte hinweg ein gewachsenes, äußerst wertvolles Naturreservat entwickeln konnte. Dieses großflächige, zusammenhängende Waldgebiet bietet heute für viele gefährdete Tiere und Pflanzen eine Heimat. Das große Waldgebiet südlich der Schwarzach und östlich der Rednitz wird aufgelockert durch die nach Westen fließenden Bäche: Hambach, Finsterbach und Brunnbach und die dazwischen liegenden Wiesenflächen. Die darin enthaltene Gewässerstruktur, bestehend aus vielen Teichen und Bächen, ist zudem eine enorm wichtige Basis für die Grundwasserbereitstellung, Grundwasserspeicherung und somit auch Trinkwasserversorgung.

 

 

Die Deutsche Bahn plant derzeit im Gebiet Roth-Harrlach/Finstermühle auf einer Fläche von mindestens 46 ha den Bau eines ICE-Instandhaltungswerkes.

 

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Begründet wird dieses Bauvorhaben von der Deutschen Bahn mit der „ökologischen Verkehrswende“. Gleichzeitig sollen mindestens 46 ha geschützter Bannwald und damit dieses wertvolle Naturreservat vernichtet werden. Die dafür immer wieder ins Spiel gebrachte Wiederaufforstung wirft die Frage auf, wo soll diese Ersatzaufforstung von mindestens 46 ha denn zusammenhängend stattfinden? Die dabei gepflanzten Bäume bräuchten zudem mindestens 60 Jahre bis sie eine vergleichbare Größe und ökologische Wirkung wie die heutigen Bäume hätten.

 

Die Auswirkungen dieses in unmittelbarer Nähe zu Allersberg und dem äußerst beliebten Naherholungsgebiet Rothsee geplanten ICE-Werkes wären verheerend.

 

  • Mindestens 46 ha Wald würden aus der natürlichen Ökobilanz entfernt, d.h. Luftschadstoffe, wie beispielsweise CO2 oder Staub würden nicht mehr abgeschieden, der durch die Photosynthese so wichtige Luftsauerstoff würde nicht mehr erzeugt. Die immer wichtiger werdende natürliche Klimafunktion des Waldes, insbesondere bei zunehmend heißen und trockenen Sommern würde entfallen. Gemäß einer „Faustformel“ speichert 1 ha Wald pro Jahr ca. 10-13 Tonnen CO2, über alle Altersjahre hinweg. Damit würden bis zu ca. 600 Tonnen CO2-Speicherkapazität jährlich als Kompensation für erzeugte CO2-Schadgasemissionen entfallen.

 

  • Mindestens 46 ha Flächenversiegelung bedeuten keinerlei Grundwasserneubildung und Grundwasserbevorratung sowie Grundwasserreinigung. Die derzeit vorhandenen Wasserschutzgebiete, die aktuell eine absolut sichere öffentliche Trinkwasserversorgung sicherstellen, würde es nicht mehr geben. Wirksamer Trinkwasserschutz beginnt aber bei der Grundwasserbildung. Darüber hinaus muss die Frage zwingend beantwortet werden, ob auf das vorhandene und damit wirksame großflächige Bannwaldgebiet als Kompensationsfläche in Zeiten häufiger Starkregenfälle bzw. Extremwetterereignisse so ohne weiteres verzichtet werden kann.
  •  Die bedrohten und damit schützenswerten Pflanzen und Tiere, wie beispielsweise Augentrost, Sandgrasnelke, der nachtaktive Ziegenmelker, Baum- und Wiesenpieper, Wendehals und Heidelerche sowie der Gewässer-liebende Bieber würden jegliche Lebensgrundlage verlieren. Die insbesondere in Bayern geführte Diskussion über Artenvielfalt, Diversität und drastischem Insektenverlust wird damit auf den Kopf gestellt.
  •  Die in dem Gebiet Roth-Harrlach/Finstermühle lebenden Menschen würden ihr so wichtiges und liebenswertes Naherholungsgebiet verlieren. Das Naherholungsgebiet Rothsee würde zudem deutlich an Attraktivität verlieren, gerade auch für die Bevölkerung der umliegenden Städte und Gemeinden.

 

  • Da im geplanten ICE-Werk rund um die Uhr (24/7) gearbeitet wird und die wesentlichen Aktivitäten in der Nacht stattfinden müssen, resultiert daraus eine enorme Lichtverschmutzung. Diese Aufhellung des Nachthimmels durch Kunstlicht hat erhebliche negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
  • Die Schallschutzwirkung des geschlossenen und weiträumigen Waldgebietes würde entfallen. Damit würden die Schallemissionen, verursacht durch den Autobahnverkehr der A9 sowie der ICE-Strecke Nürnberg-München im Gebiet Harrlach/Finstermühle insbesondere in der Nacht erheblich deutlicher wahrgenommen werden. Hinzu käme noch der regelmäßige Weckruf in der Nacht, wenn sich die kontinuierlichen Hupentests mit einem Schalldruckpegel von 125 dB (A) zu Wort melden.

Bei den vorgesehenen 46 ha handelt es sich aber nur um die erforderliche Kernfläche für das ICE-Instandhaltungswerk. Darüber hinaus geht man von weiteren Bedarfsflächen von insgesamt 144 ha aus, die den Verlust von zusätzlichen Ökosystemflächen bedeuten. Die notwendige Fläche ist 3,2 km lang und 450 m breit. Die ICE-Wartungshalle ist 480 m lang, 80 m breit und 12 m hoch. Die Flächenversiegelung würde unvermittelt fortschreiten, z.B. für den Ausbau der Infrastruktur. Neue Zufahrtsstraßen müssen gebaut werden, um Mitarbeiter und Material termingerecht in das Werksgelände zu bringen.

Die Versorgung der Reinigungsarbeiten mit Frischwasser, d.h. Trinkwasser sowie die Reinigung bzw. Aufbereitung der Abwässer muss gewährleistet werden. Die Basis dafür sind die Reinigungsarbeiten von 25 ICE-Zügen täglich für jeweils 800 Fahrgäste. Dadurch wird ein Frischwasserbedarf und demzufolge Abwasseranfall einer Kleinstadt erreicht. Darüber hinaus müssen auch neue Gleisanlagen entstehen, die das Werk an das vorhandene Streckennetz anbinden. Die bereits heute absehbare Folge aus all diesen zusätzlichen Baumaßnahmen wäre ein deutlich zunehmendes Verkehrsaufkommen mit zusätzlichen Schadgas- und Schallemissionen.

 

 

Die Deutsche Bahn begründet ihr Bauvorhaben im Gebiet Roth-Harrlach/Finstermühle mit der unbedingt erforderlichen Nähe zum Nürnberger Hauptbahnhof, woraus sich eine Entfernung von ca. 25 km ergibt. Darüber hinaus mit der Notwendigkeit innerbetriebliche Abläufe zu optimieren. Geopfert werden soll dafür ein über Jahrzehnte gewachsenes, wertvolles Ökosystem, das noch dazu unter dem Schutzstatus Bannwald steht.

 

Was ist dieser Schutzstatus Bannwald denn tatsächlich wert, wenn er jederzeit für das DB-Bauvorhaben geopfert werden kann? Die gesetzlichen Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zum Gewässerschutz und zur Verbesserung der Wasserqualität werden zudem überhaupt nicht beachtet.

 

Die betroffenen Bürger von Harrlach/Finstermühle verlieren ihre bisherige Lebensqualität, schlafen im nahegelegenen ökologisch wertvollen Naturreservat ein und wachen inmitten eines Industriegebietes („Zaun an Zaun“) auf, was letztendlich eine Zerstörung ihrer Heimat bedeutet. Die verantwortlichen Politiker diskutieren dagegen weiterhin über intensivere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas.

 

Herbert Fahrnbauer