Unser (Wald-) Weg aus der Klimakrise? Teil 1: Neuer Studiengang "Sozialökologische Waldbewirtschaftung"

©Sabine von Winterfeld
©Sabine von Winterfeld

Eine gute Nachricht im Neuen Jahr: Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) nimmt den neuen Studiengang, der "Sozialökologische Waldbewirtschaftung" heißen wird, in ihr Lehrprogramm auf. Der Start ist für das Jahr 2023 geplant und wird voraussichtlich 20 Absolventen und Absolventinnen den Bachelor-Abschluss bieten. Die Umweltstiftung Greenpeace, die Elobau-Stiftung und die Stiftung „ZukunftJetzt!“ unterstützen den neuen Studiengang für eine biodiversitätsorientierte und klimawandelgerechte Waldbewirtschaftung mit  drei Stiftungsprofessuren.

 

Wir als BBIWS freuen uns über diesen lange überfälligen Schritt einer vorrangig ökologisch motivierten Ausbildung junger Förster, die einen Hoffnungsschimmer über die sterbenden Wälder legt. Viel zu lange war der Wald nur als Holzlieferant im Fokus der menschlichen Nutzung. Seine Benefits für Pflanze, Mensch und Tier wie Wasser, gute Luft und Kühlung der Landschaft, hatte man gratis ohne größeres Zutun dabei. Das zumindest glaubte man bis in die 2000er Jahre und funktionierte gar die staatlichen Forstämter zu bilanzierenden Forstbetrieben um - womit die Profitorientierung noch mehr ins Zentrum der bundesweiten Bewirtschaftung der Staats- und Kommunalwälder rückte.

 

Landauf, landab stiegen die Holzentnahmen und die Intensität maschneller Bewirtschaftung mit dem Argument, man wirtschafte ja "nachhaltig". Diese forstliche Definition von nachhaltig - es gibt ja leider viele Definitionen - bedeutet: wir entnehmen rein quantitativ gesehen nicht mehr oder sogar weniger Holz als nachwächst. Verschwiegen wird dabei gerne, dass diese "Nachhaltigkeit" nur die schiere Holzmasse betrifft, aber keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Waldes und seine Biodiversität nimmt. Man lässt zudem nur die Baumarten wachsen, die schnelle Ernte versprechen und die man gut und früh nutzen kann. Einzige Ausnahme: die ebenfalls gepflanzten "Werthölzer" wie die Eiche, die herausgepflegt werden und als dickes Stammholz  hohen Gewinn versprechen. Sie nur dürfen älter werden. Andere Baumarten wurden häufig als "Unkraut des Waldes" betitelt, so auch die besonders wüchsigen weil bestens an den Standort Mitteleuropa angepassten Buchen oder eine wichtige Pionierbaumart  des Waldes, die Birke. Beide Arten werden meist als Brennholz und minderwertige Massenware eingeschlagen.

 

Besonders schlimm auch: die alte Baumgeneration, der eigentliche Hotspot der Biodiversität im Wald, verschwand und verschwindet noch immer fast gänzlich von der Bildfläche. Lediglich hier und da, oft in viel zu großen Abständen, nimmt im sogenannten "Wirtschaftswald" eine Biotopbaumgruppe die Alibifunktion für den einstigen alten Baumbestand der Waldgesellschaft ein. Urwaldreliktarten, Totholzbewohner, Baumhöhlen, Vögel, Dickichte für das Wild verschwinden, denn der Wald wird durch forstliche Steuerung immer "lichter". Warum?

 

Die Antwort ist einfach: eine forstlich überkommene Lehre (1), die bis heute umgesetzt wird, obwohl sie den Wald nachweislich schädigt. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird für die Laubmischwälder durchgängig der sogenannte "Schirmschlag" oder "Femelschlagt" durchgeführt, eine wie aus dem heimischen Gemüsegarten abgeleitete Weisheit, die keiner wissenschaftlich-ökologischen Überprüfung der Waldgesundheit standhält. Ihre Kernaussage: Jäte die "Bedrängerbäume", schaffe den "Zielbäumen" Licht und Raum, dann verjüngt sich der Wald natürlich und der Holzzuwachs steigt. Man bringt also Licht und neuerdings im Klimawandel massiv Hitze in den Wald, indem man die Baumkronen "entzerrt".  Das Ergebnis: Laubwälder, die zu Altersklassenwäldern degradieren, die ihren feucht-schattigen Eigenschutz als Wachstumsgrundlage verlieren, deren selbstgesteuertes Waldklima regelrecht kollabiert, so dass auch ihre überlebensnotwendigen Mitstreiter, die Pilze, Schaden nehmen.

©Foto Susanne Ecker 2020
©Foto Susanne Ecker 2020

Der Wald wird bis heute also regelkonform  "heißgeschlagen" mit dem Ziel, dass die jungen Bäume, die oft Jahrzehnte im Schatten der Alten auf eine Lichtlücke warten, jetzt schneller hochwachsen und früher geerntet werden können. Zugleich sterben die älteren Buchengesellen (richtig alt sind sie erst mit mehr als 250 Jahren), die nach einem Leben im Schatten nun plötzlich der Sonne ausgesetzt sind, durch Sonnenbrand auf ihrer empfindlich zarten Rinde und der Austrocknung des umgebenden Bodens ab. Der Klimawandel verstärkt hier nur, was die Forstwirtschaft vorbereitet hat und die standardmäßige Aussage, alte Bäume würden den Klimawandel nicht verkraften und es sei gut, sie zuerst einzuschlagen,  ist nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver von Tatsachen, die der Mensch selbst zu verantworten hat. Wie den Klimawandel im Allgemeinen eben auch.

 

Der Wald, den wir kennen, ist also ein Kunstprodukt menschlicher Nutzungsideale, die hier wie im Hausgarten nicht mehr stimmen.  Dort zerstörte die alte Mähr vom Umgraben und Freijäten sukzessive den Gartenboden. Schlaue Gärtner bedecken und schützen  deshalb schon lange ihr braunes Gold mit einer Mulchschicht. Auch die Landwirtschaft besinnt sich nach den Dürrejahren in gleicher Weise auf den Schutz ihrer ausgelaugten Böden. Also überall das gleiche Bild, die gleiche Notwendigkeit. Nur im Wald dauert es offenbar vielerorts noch immer, bis man diese extreme Notlage erkennt.

Deshalb fahren weiterhin bevorzugt schwere Erntemaschinen auf den hochsensiblen Böden, deshalb rühmt man sich trickreich einer hohen Artenzahl auf den aufgelichteten Waldflächen, die aber  natürlich Offenlandarten sind, die dort gar nicht hingehören. Und deshalb spricht man auch gerne von der wichtigen Naturverjüngung, die damit gefördert werde - sicher, viel Licht bedeutet viele junge Bäume, aber diese müssen den Schutz und die Versorgung durch den alten Wald entbehren und sterben deshalb  häufig ab. Vom dauerhaften Schaden an der dünnen Waldhumusschicht gar nicht erst zu reden. "Wald muss dicht" - das alte Schlagwort sagt alles.

 

Der Präsident der HNEE, Prof. Dr. Matthias Barth, wird zum neuen Studiengang wie folgt zitiert: „Wir haben es uns an unserer Hochschule zur Aufgabe gemacht, die Nachhaltigkeitstransformation in die Gesellschaft voranzutreiben und Studierende mit den Schlüsselkompetenzen zur Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung auszustatten. Dafür bedarf es der kontinuierlichen Weiterentwicklung bestehender Studienprogramme und der Impulse durch neuartige Studiengänge. Von daher unterstütze ich die Konzeption des geplanten Studiengangs und freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit. Im Austausch mit allen Beteiligten bin ich zuversichtlich, dass wir hier gemeinsam ein attraktives Angebot etablieren können, das Bedarfe auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft aufgreift und das Portfolio der nachhaltigkeitsorientierten Studienprogramme sinnvoll ergänzt.“

 

 ©Susanne Ecker 2021
©Susanne Ecker 2021

Unter der Leitung von Prof. Pierre Ibisch werden die Inhalte des Studiums erarbeitet. Seine Ausrichtung steht fest und er gibt einen Ausblick (1):  "Ökologische Bewirtschafter*innen des Waldes fragen nicht nur, was sie dem Ökosystem entnehmen, sondern vor allem, wie sie ihm dienen können. Sie fragen nicht bloß: Wie ernte ich möglichst viel Holz, ohne dabei allzu viel ökologischen Schaden anzurichten? Sondern: Wie schütze ich den Wald mit all seinen Funktionen und der Anpassungsfähigkeit, die es auf dem Weg in die Heißzeit braucht, und wieviel kann ich ernten, ohne dieses Schutzziel zu beeinträchtigen".

 

Nur ehrliche Antworten auf diese Fragen können den menschengenutzten Wald in die Zukunft retten.

Susanne  Ecker

 

(1) Der Schirmschlag geht zurück auf den Forstwissenschaftler Georg Ludwig Hartig und sein im Jahr 1808 veröffentlichtes Standardwerk „Lehrbuch für Förster“

(2) https://www.jmwiarda.de/2021/04/01/die-wahre-geschichte-der-%C3%B6kologischen-waldbewirtschaftung/