Windkraft gegen den Wald

Copyright: rettet-den-reinhardswald.de
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Jetzt ist es also passiert, das Genehmigungsverfahren für 18 Windkraftanlagen mitten im Reinhardswald, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet in Hessen, ist abgeschlossen und genehmigt.

 

Noch am selben Tag der Veröffentlichung, dem 02.02.2022, die bis heute aber nur eine Vorankündigung in Form einer Pressemitteilung auf der Homepage des RP Kassel ist, begann die Windbetreiberfirma mit den Rodungen in einem besonders sensiblen Gebiet, einem älteren, intakten Buchenwald.

 

Für den Bau der 14 Kilometer Zuwegungen gibt es ebenfalls eine gesonderte Genehmigung. Dazu wurde der sofortige Vollzug angeordnet, was den direkten Beginn der Fällarbeiten erklärt.

 

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Trotz anhaltender Proteste der Bevölkerung, trotz der 690 Eingaben von Bürgern während des Genehmigungsverfahrens, wurden ausnahmslos alle 18 Anlagen genehmigt. Und das, obwohl der Reinhardswald insgesamt einen hohen ökologischen Wert aufweist und 14 der 18 Anlagen mitten in Trinkwasserschutzgebieten liegen. Folgender Auszug aus dem UVP-Bericht Windpark Reinhardswald macht dies noch einmal deutlich:

 

Im Umfeld der Anlagenstandorte WEA 3, 5, 10-12, 15, 19 und 20 kommen hochwertige Buchenbestände vor. Im Bereich der WEA 13 und 14 verlaufen temporäre Gerinne, zudem wurden auch quellige Bereiche an WEA 13 kartiert, die jedoch zumindest teilweise anthropogen bedingt sind. An der Zuwegung kommen ebenfalls Buchenbestände sowie Gewässerläufe als hochwertige Biotope vor. Aufgrund dieser Heterogenität und der Ausstattung ist das gesamte Vorhabensgebiet großräumig mit einer besonderen Bedeutung zu bewerten.

 

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Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hat bereits einen Eilantrag beim VGH Kassel eingereicht, auch die Naturschutzinitiative hat eine Klage gegen die Rodungen angekündigt.

Der Bundesgesetzgeber hat aber mit § 63 BImSchG i.d.F. vom 03.12.2020 angeordnet, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m keine aufschiebende Wirkung haben und damit eine Regelung nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geschaffen.

Das bedeutet, Widerspruch und Anfechtungsklage verhindern Rodungen und Baubeginn nicht mehr. Nach Genehmigungserteilung kann der Investor mit der Umsetzung seines Projektes starten, egal, ob die Genehmigung angefochten ist oder nicht.

 

Außerdem legt der im Januar 2021 in Kraft getretene Runderlass Windenergie Hessen fest, dass innerhalb von regionalplanerischen Vorranggebieten „das öffentliche Interesse an der Energieversorgung das öffentliche Interesse am Artenschutz deutlich überwiegt„. Zudem erkennt er ausdrücklich an, dass für Windenergieanlagen in den Vorranggebieten der Ausnahmegrund der öffentlichen Sicherheit i. S. d. § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG gegeben ist.

 Da es auch im europäischen Naturschutzrecht Rechtsunsicherheiten bezüglich des Ausnahmegrundes für ein überwiegendes öffentliches Interesse im Bundesnaturschutzgesetz gibt, besteht hier angesichts der aktuellen Entwicklung in Deutschland dringender Klärungsbedarf.

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Um die Widersprüchlichkeit der Entscheidung für den Bau der Windenergieanlagen im Reinhardswald zusätzlich deutlich zu machen, hier einige Auszüge aus dem Faktenpapier

 

Windenergie in Hessen zum Natur- und Umweltschutz:

4.4 Darf in Natura 2000-Gebieten gebaut werden?

 

Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler und geschützte Landschaftsbestandteile, National-
parks, Kern- und Pflegezonen A von Biosphärenreservaten sowie Kernzonen des UNESCO
Welterbes sind pauschal von Windenergieplanungen ausgeschlossen. Gleiches gilt für
Schutz- und Bannwälder, Wasserschutzgebiete (Zone I und II), Auen- und grundsätzlich
auch Landschaftsschutzgebiete.

 

5.3 Wie viel Wald geht insgesamt verloren?

 

In Hessen macht Wald ungefähr 42 Prozent der Landesfläche aus, das sind rund 894.000 Hektar. Dies macht Hessen zum waldreichsten Bundesland Deutschlands.
Etwa 80 Prozent der Windvorrangflächen liegen in den bewaldeten Höhenlagen. Dies
erfordert – aus ökologischen wie wirtschaftlichen Gründen – eine besonders genaue und eingriffsminimierende Planung. Da ein Großteil der Waldflächen einem besonderen Schutz unterliegt und daher für die Windkraftplanung entfällt, kann von einer verfügbaren Waldfläche von 550.000 bis 600.000 Hektar ausgegangen werden.

 

12.3 Gewöhnen sich die Tiere an Windenergieanlagen?

 

Auch bei einer Gewöhnung können Dauerreize jedoch weiterhin Stress verursachen. In bisher störungsarmen Ruhebereichen reagieren die Tiere deutlich sensibler. Aus naturschutz- fachlicher Sicht sind diese Rückzugsgebiete mit weiter Entfernung zur nächsten Siedlung als besonders wertvoll zu beurteilen. Da abgelegene Waldstandorte häufig einen größt- möglichen Abstand zu Siedlungen haben, sind hier Zielkonflikte abzuwägen.

 

12.5 Welche Maßnahmen gibt es zum Schutz der Haselmaus?

 

Alle Gehölze werden im Winter gefällt, während sich die Haselmäuse in Winterruhebefinden. Nahrungssträucher werden von Hand entfernt. Die Fläche darf in dieser Zeit aber nicht befahren werden, da die Haselmäuse an der Bodenoberfläche schlafen.

 

Der nun seitens der Ampelregierung und insbesondere des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums vorangetriebene massive und schnelle Ausbau der Windkraft an Land bedeutet mit dem Bau der Anlagen im Reinhardswald einen Dammbruch. Es steht zu befürchten, dass ein Großteil der zusätzlich vorgesehenen WEA in Wäldern gebaut werden und zukünftig durch die neue Gesetzgebung die aktive Bürgerbeteiligung und Klagemöglichkeiten von Naturschutzverbänden sehr stark eingeschränkt sind. Da es sich um mehrere zehntausend Anlagen handelt, ist der Verlust großer, auch besonders wertvoller Wälder sehr wahrscheinlich. Schließlich ist der Landesregierung in Hessen auch der Reinhardswald in der Funktion eines neuen Industrieparks wichtiger, als die Erhaltung eines der letzten großen zusammenhängenden Waldgebiete in Deutschland.

 

Dass hier vor allem der Gewässerschutz hinten angestellt wird, kann sich in der Zukunft noch als entscheidender Fehler erweisen und sollte uns zu Denken geben. Gerade aufgrund der klimatischen Erwärmung werden wir zukünftig unsere natürlichen Wasserquellen brauchen, deshalb ist die Entscheidung für den Bau der Windkraftanlagen im Reinhardswald vollkommen unverständlich.

 

Copyright: rettet-den-reinhardswald.de
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So wie es derzeit aussieht, werden nur groß angelegte Bürgerproteste gegen den weiteren Ausverkauf unserer Wälder und gegen den Natur- und Artenschutz Wirkung zeigen. Der gerichtliche Weg ist maximal eingeschränkt worden.

 

Hier wird eine fragwürdige Umsetzung der Energiewende mit der Dampfwalze praktiziert, die den Ressourcen- und Flächenverbrauch drastisch erhöht. Die Räumung geschädigter Waldflächen durch Trockenheit und Borkenkäferbefall war quasi die Vorarbeit, um der Windkraft an Land den letzten Schub zu geben. Anstatt die Bäume stehen zu lassen und damit die natürliche Wiederbewaldung zu ermöglichen, wurden auch im Reinhardswald großflächig Fichten gerodet und abgeräumt. Obwohl auch diese Bereiche aus ökologischer und rechtlicher Sicht immer noch als Wald definiert sind, ist die Umwidmung zum Windpark nun ganz einfach. Damit ist aber der Schutzstatus des Waldes dahin, deshalb wird auch die Genehmigung weiterer Anlagen voraussichtlich kein Problem sein.

 

Zur widerspruchslosen Begründung wird der schlechte Zustand des Waldes nicht etwa auch der profitorientierten Forstwirtschaft zugerechnet, sondern allein dem Klimawandel. Und mit diesem Argument wird der weitere Waldverlust gerechtfertigt, denn mit dem deutschen Sonderweg soll ja das Klima gerettet werden. Wäre man aber ehrlich, müsste man zugeben, dass es um das große Geschäft geht. Es gibt üppige Förderungen von staatlicher Seite und klamme Gemeinden können sich durch ihre Beteiligung an den Windparks die leeren Kassen füllen. Die Gewinne, die eben noch durch das Holz des Waldes erwirtschaftet wurden, entstehen jetzt durch die Windkraft im Wald.

 

Der NABU Hessen brüstet sich damit, dass er eine 1000 ha große Waldfläche als Naturwald gewinnen konnte, die vollständig aus der Bewirtschaftung genommen wird. Gleichzeitig unterstützt er aber den Bau der Anlagen inklusive der Zuwegungen und Versorgungsleitungen, die sich auf dem Kamm über immerhin 8 Kilometer erstrecken. Und unterstreicht gebetsmühlenartig, dass es ja nur 2 % der Landesfläche seien, die für Windkraft genutzt werden sollen. Dass sich davon aber 80 % in Wäldern befinden, wird nicht extra betont. Bei solcher Logik selbst großer Naturschutzverbände ist scheinbar für den Wald hier in Deutschland so gut wie kein Platz mehr.

 

Sabine von Winterfeld

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