Naturnahe Waldwirtschaft in Zeiten der Klimaerhitzung?

von Jürgen Kruse, Nottuln, Waldschutzgruppe Münsterland [9]

 

Es gab sie noch, die „heiligen Hallen“ des Münsterlandes. In den Jahren bis etwa 2014/2015 konnte man u.a. bei Legden/Asbeck bei großer Hitze eintauchen in einen kühlenden Dom aus großen Bäumen mit beschütztem Aufwuchs von Jungbäumen.

Alte Buchenwälder des Münsterlandes bei Legden-Asbeck 2014/2015
Alte Buchenwälder des Münsterlandes bei Legden-Asbeck 2014/2015

Nun ist dieser Wald heißgeschlagen, aufgelichtet und zerfahren von schweren Maschinen.

Nachdem in einer ersten Welle viele Naturdenkmäler weggesägt worden sind, wurden in mehreren Holzerntewellen nahezu alle etwas größeren und älteren Buchen und Eichen abgesägt und z.T. direkt im Wald in Seecontainer für den Export (u.a. nach China) verfrachtet.

 

 

Ausplünderung unserer Wälder - Fällung nahezu aller älterer Bäume.
Ausplünderung unserer Wälder - Fällung nahezu aller älterer Bäume.

Der Wald sollte nach einer Bewertung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) eine wichtige Rolle im landesweiten Biotopverbund spielen, vor allem auch mit seinem Altbuchenbestand. Ein Feuersalamander-Vorkommen dürfte nun, nachdem der Wald über viele Jahre etwa seit 2017 immer wieder befahren und von privater Holzaufarbeitung betroffen ist, wohl nicht mehr vorhanden sein. Die Feuchtrinnen im Wald und am Waldrand gibt es nach Dürreperioden und ständigen Ernteeinsätzen nicht mehr.

 

 

Der Feuersalamander verliert auch im Wald bei Legden/Asbeck durch massive Holzernte sein Rückzugsgebiet.
Der Feuersalamander verliert auch im Wald bei Legden/Asbeck durch massive Holzernte sein Rückzugsgebiet.

Hauptakteur ist - wie in so vielen Abholzungsaktionen im Land (u.a. im Kirchenwald in Nottuln und im Gemeindewald in Horstmar) - der Landesbetrieb „Wald und Holz NRW“, der mediengestützt offen seine Holzgewinnungs- und Vermarktungsinteressen (u.a. durch Beratung der Waldbesitzer) durchsetzen kann. Besonders deutlich wird das am Zustand der Wälder im Münsterland mit Kahlschlägen, Bodenverdichtungen, „Auflichtungen“, Schirmschlag, Austrocknung, Zurückdrängung der Artenvielfalt usw.. [1]

 

Die vielen Funktionen von alten Laubbäumen, Kühlung der Atmosphäre, Wasserfilterung, Sauerstoffproduktion, Wasserverdunstung (Regenmacher) sind, wie zahlreiche Studien ermittelt haben, nicht gleichzusetzen mit jungen Bäumen. Gerade Buchen können bei günstigen Verhältnissen bis zu 500 Jahre alt werden und entsprechend produktiv sein.

 

Neuere ökologische Erkenntnisse weisen darauf hin, dass im Klimawandel die früher üblichen intensiven „Pflege-“ und Durchforstungsregeln äußerst kontraproduktiv wirken. Sie verhindern die eigenständige Differenzierung und Anpassung (die die Natur selbst seit 300 Mio Jahren in Wäldern erprobt), öffnen und erhitzen die Wälder („heißschlagen“). Ergebnisse sind Austrocknung und Folgekrankheiten sowie die Verhinderung der notwendigen CO 2- Absenkung in einem möglichst großen Waldkörper. Deshalb sollte so viel Baumvorrat auf der Fläche belassen werden wie möglich.

 

Die Leistungen des Ökosystems Wald sind unabhängig von monetären Berechnungssystemen zu schützen. Studien belegen: Wälder sollten möglichst aus heimischen Laubbaumarten bestehen. Solche Arten – wie beispielsweise die Rotbuche – leiten mit ihrer trichterförmigen Aststruktur besonders viel Regenwasser den Stamm hinab und tragen so dazu bei, dass Wasser in den Boden gelangt. Da sie zusätzlich über fünf Monate im Jahr keine Blätter tragen und so kein Wasser verdunsten, haben sie im Vergleich mit Nadelbaumarten einen positiven Einfluss auf die Grundwasserneubildung. Das Kronendach der Wälder sollte möglichst dicht sein. Denn so wird die Sonneneinstrahlung reduziert und die so wichtige Wasserspeicherung gefördert.

Hinzu kommt, dass der Waldboden dringend vor Verdichtung geschützt und die Humusbildung unterstützt werden muss.

 

Das Wissen um das Ökosystem Wald kann nicht länger verdrängt werden. Wir brauchen – auch zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen zur Sicherung der Biodiversität und zum Klimaschutz – intakte Wälder, mehr unberührte „Wildnis“, schonende Forstmethoden, standortheimische Bäume und eine Begrenzung des Holzexports. Schon lange zeigte sich, dass die Naturschutz- und Waldgesetze in Deutschland mit dem Vorrang profitabler Nutzungen und mit den vielen Ausnahmeregelungen und unklaren Schutzbestimmungen sowie fehlenden Sanktionsmöglichkeiten nicht ausreichen, um Artenschutz, Biodiversität und Klimaschutz zu gewährleisten. Besonders deutlich ist das im Bereich der Forst- und Waldpolitik. Das findet sich auch im Koalitionspapier der Ampelkoalition in Berlin zum Bereich „Wald“.*

 

Als ein besonders krasses Beispiel erwähnen wir hier den Kirchenwald in einem Naturschutz- und Wassergewinnungsgebiet in Nottuln. [2] Diesem Wald wurde nun mit einem bunten Strauß von vorgeschobenen „Fällargumenten“ schwerer Schaden zugefügt - die Klimaschutzfunktionen des Rest-Waldes sind mit Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Der Einschlag in noch verbliebenen naturnahen Wäldern muss sofort gestoppt und die Verbrennung von Holz darf nicht länger als „klimaneutral“ o.ä. gefördert werden. [3]

 

 

Forstliche Eingriffe in den Kirchenwald (Nottuln)
Forstliche Eingriffe in den Kirchenwald (Nottuln)

Drei Trockenjahre in Folge haben in Deutschland Waldschäden bislang nicht gekannten Ausmaßes sichtbar werden lassen. Davon sind besonders Fichten, Kiefern und nicht heimische Baumarten, vereinzelt auch Eichen und Buchen betroffen. Die Ursachen liegen nicht nur im Klimawandel, sondern auch im Umgang mit den Wäldern seit 200 Jahren. Die bisher vorwiegend vom Holzerlös abhängigen Erfolgsbilanzen der Forstbetriebe haben sich als falsche, für die Zukunft unserer Wälder schädliche Messlatte erwiesen.

Ehemaliger Klimaschutzwald: alte Bäume gefällt, der Wald extrem aufgelichtet und damit heißgeschlagen, der Boden verdichtet.
Ehemaliger Klimaschutzwald: alte Bäume gefällt, der Wald extrem aufgelichtet und damit heißgeschlagen, der Boden verdichtet.

Vom Gesetzgeber wäre jetzt dringend Art. 20 a Grundgesetz umzusetzen durch eine Ökologisierung der Naturschutz- und Waldgesetze – auch in NRW. Schon jetzt gilt eine „Ökologiepflichtigkeit des Waldeigentums“. [4]

 

Die größten ökologischen Herausforderungen der Menschheit durch Klimawandel, Gefährdung der Wasserreserven und Verlust der Biodiversität können wir nur gemeinsam mit dem Wald meistern [5] Die gegenwärtige Art der Waldbehandlung läuft diesen Herausforderungen diametral entgegen. Sie trägt dazu bei, den schwer angeschlagenen Patienten Wald weiteren Stressfaktoren auszusetzen. Die EU-Biodiversitätsstrategie, die gefährdete, wildlebende heimische Pflanzen- und Tierarten und deren Lebensräume wirksam schützen soll, sieht einen strikten Schutz für zehn Prozent aller Landflächen bis 2030 vor. Um das zu erreichen, müssten hierzulande auch viel mehr Waldflächen als Schutzgebiete ausgewiesen werden. [6] Vielleicht kommt die Umsetzung der Waldziele der Ampel-Koalition zumindest für das Münsterland schon zu spät. [7] Hinzu kommen die Versäumnisse der Bundesregierung und der Länder für eine Verringerung der Stickstoff-Einträge zu sorgen, die die Wälder zusätzlich schädigen.

 

Lutz Fähser, Forstexperte und “Vater“ des Lübecker Konzepts zur naturnahen Waldbewirtschaftung:

 

„Zwar sind die Schwefeldioxid-Emissionen inzwischen wirkungsvoll abgesenkt, doch die Stickstoff-Emissionen aus dem Straßenverkehr und vor allem aus der landwirtschaftlichen Tierproduktion liegen noch immer auf viel zu hohem Niveau. Der Klimawandel und die intensive profitorientierte Forstwirtschaft machen dem Wald zusätzlich schwer zu schaffen.“ [8]

 

 

Altbaumeinschlag im Kirchenwald Nottuln
Altbaumeinschlag im Kirchenwald Nottuln

 

*Zitat Koalitionsvertrag Bundesregierung Nov. 2021 – hier: WALD

 

„Gerade im Wald werden die Folgen der Klimakrise sichtbar. Gleichzeitig ist er für das Erreichen

unserer Klimaschutzziele unerlässlich. Durch einen gezielten Waldumbau müssen artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten geschaffen werden. Die Waldbewirtschaftung spielt dabei eine wichtige Rolle. Entsprechend dieser Ziele novellieren wir das Waldgesetz. Wir werden das Forstschädenausgleichsgesetz evaluieren und passen es gegebenenfalls an. Intervalle und Form der Bundeswaldinventur werden wir überprüfen und ein digitales Waldmonitoring einführen. Der Bund wird zusammen mit den Ländern einen langfristigen Ansatz entwickeln, der konkrete, über die bisherigen Zertifizierungssysteme hinausgehende Anforderungen an zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen adressiert, diese honoriert und die Waldbesitzer dadurch in die Lage versetzt, ihre Wälder klimaresilient weiterzuentwickeln und, wenn nötig, umzubauen oder Neu- und Wiederbewaldung zu unterstützen. Wir stoppen den Einschlag in alten, naturnahen Buchenwäldern in öffentlichem Besitz. Die Wälder im Bundesbesitz sollen mittelfristig mindestens nach FSC- oder Naturland-Standards bewirtschaftet werden. Wir fördern den internationalen Waldschutz und die Waldrenaturierung. Wir setzen uns auf EU-Ebene für eine rechtlich verbindliche Regelung ein, die den Import von Produkten und Rohstoffen, die mit Entwaldung verbunden sind, verhindert. Mit einer Holzbauinitiative unterstützen wir die regionalen Holzwertschöpfungsketten. Wir wollen die Kaskadennutzung als Grundsatz verankern. Wir stärken forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse. Wir werden bundesweite Präventions- und Bekämpfungsstrategien erarbeiten und die Waldbrandbekämpfungsmöglichkeiten am Boden und aus der Luft, auch im Rahmen des Mechanismus rescEU, ausbauen. Wir fördern bodenschonende Waldbearbeitung, z. B. mit Rückepferden und Saatdrohnen.“

 

Anmerkungen:

 

[1] Siehe die Wald-Schadensmeldungen auf: www.waldreport.de

 

[2] https://waldreport.de/waldschadensmeldung/faellung-schutzgebieten/faellung-von-160-buchen-und-eichen-auf-wald

 

[3] https://www.robinwood.de/blog/ofen-aus

 

[4] Hans Dieter Knapp (Hrsg.), Siegfried Klaus (Hrsg.), Lutz Fähser (Hrsg.), Der Holzweg – Wald im Widerstreit der Interessen – ISBN: 978-3-96238-266-7 – Softcover, 480 Seiten, (39,-€) oekom-Verlag

 

[5] Wasser muss im Wald bleiben – Bundeswaldgesetz ändern und Wälder fit für den Klimawandel machen, Heimische Bäume, geschlossene Kronendächer und gesunde Böden: So kann die Forstwirtschaft zu einem positiven Effekt auf unseren Wasserhaushalt beitragen. Dafür muss das Bundeswaldgesetz dringend geändert werden. https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/waelder/aktivitaeten/28677.html

 

[6] https://www.naturschutz-initiative.de/neuigkeiten/1193-17-03-2022-zum-internationalen-tag-des-waldes-am-21-maerz-2022

 

[7] Im Münsterland gibt es nun in Verbindung mit den Waldakademien in Lübeck und in der Eifel eine Waldschutzgruppe Münsterland, die auch im Rahmen der Bundesbürgerinitiative Waldschutz (https://www.bundesbuergerinitiative-waldschutz.de/) Waldschäden registrieren

(www.waldreport.de), das Wissen um das Ökosystem Wald verbreiten und eine ökologische

 Forstwirtschaft bekannt machen möchte. Wir brauchen einen ökologisch ausgerichteten Blick!

Siehe dazu „Das Ökohumanistische Manifest – Unsere Zukunft in der Natur – Eine Philosophie für das Anthropozän“, von Pierre L. Ibisch & Jörg Sommer (https://www.sonnenseite.com/de/tipps/das-oekohumanistische-manifest/ )!

 

[8] ROBIN WOOD: „Wir nehmen den Tag des Waldes zum Anlass, ein radikales Umdenken einzufordern. Denn ohne die Wälder sterben die Menschen. Die Bundesregierung muss auch gegen Widerstände der Forst- und Agrarlobby eine ökologische Waldwende durchsetzen.“

 

[9] auf facebook: „Waldschutzgruppe Münsterland (in der Bundesbürgerinitiative Waldschutz)“:

https://www.facebook.com/groups/673081750509368/