Der Wald hat eine starke Stimme verloren. Nachruf auf den Buchenwaldexperten Norbert Panek

 

Den Verantwortungs- und Entscheidungsträgern rufe ich zu: Lasst unsere Forstplantagen würdig sterben, dass aus ihrer Erde Wald hervorsprießt, der sich auf natürliche Weise wieder neu entfalten kann.

Lasst Waldnatur endlich Waldnatur sein!

(Norbert Panek, 2021)

 

Der Buchenwaldexperte Norbert Panek, Mitbegründer der BBIWS, ist im Oktober auf tragische Weise ums Leben gekommen – wir verdanken ihm viel: seinen unermüdlichen Einsatz für das UNESCO-Welterbe Buchenwald in Deutschland und den Nationalpark Kellerwald, sein offenes Ohr für die Fragen und Sorgen vieler Bürger, seine schon seit Langem in vielen Schriften und Büchern dokumentierte Forderung nach einem Systemwechsel in der Forstwirtschaft. Das alles wird uns als BBIWS bis hin zur kleinsten Waldschutzinitiative weiterhin motivieren, sein unerschütterliches Engagement wird uns tragen und ein großes Vorbild im Waldschutz sein.

 

Lange vor den Dürrejahren, die plötzlich den Wald in den Fokus des medialen und bis dahin häufig noch brachliegenden naturschutzfachlichen Interesses rückten, erschien Paneks Schrift Wilde Wälder braucht das Land  im Ambaum Verlag. In diesem, wie Panek es nannte, Plädoyer für ein neues Wald-Bewusstsein schrieb er:

 

Die Chance, dass gleichgesinnte Menschen etwas in Bewegung bringen und verändern können, ist also keinesfalls ein aussichtsloses Unterfangen, und meine Erfahrung im Kampf um diesen Nationalpark (Kellerwald) bestärkt mich, daran zu glauben, dass wir Menschen die Macht haben, etwas Neues zu schaffen. In einer scheinbar erstarrten Welt, in der Profitsucht, Konsumterror  und der rücksichtslose Raubbau an der Natur mittlerweile immer mehr den Takt der Geschichte bestimmen, sollten wir diese Macht endlich nutzen.

 

Dieses Credo könnte das Geleitwort für die Gründung vieler Waldschutz-Bürgerinitiativen bundesweit gewesen sein, die sich mit Hilfe Paneks vernetzten und ab 2017 in der BundesBürgerInitiative Waldschutz zusammenschlossen, um den Kampf gegen die Zerstörung der Wälder vor ihrer Haustür aufzunehmen. Industrielle Waldbewirtschaftung mit Schwermaschineneinsatz und die steigenden Begehrlichkeiten auf den Rohstoff Holz hatten das Erscheinungsbild der Wälder seit der Jahrtausendwende stark verändert -  leider trotz Nachhaltigkeitsversprechen nicht zum Positiven. Bis zu den Dürrejahren wurde aber jede Forderung nach einem Umdenken von Seiten der Forstwirtschaft radikal abgelehnt und als Blick durch die rosarote Brille abgetan. Die Bundeswaldinventur 2014, die Aufschluss über den Zustand der Wälder geben sollte,  erschien als ein schwer zu durchdringendes Zahlendickicht. Genau hier setzte Norbert Panek 2016 mit ungeheurer Detailorientierung an und schuf einen Meilenstein in deren Interpretation. Aus Zahlen fügten sich klare Worte zum wirklichen Zustand unserer Wälder: Deutschland, deine Buchenwälder. Daten-Fakten-Analysen.

 

 

Mit diesem Werk bot Panek nun jedem Bürger und jeder Waldschutzinitiative in verständlicher Sprache eine hervorragende Analyse und leider auch Bestätigung ihrer schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des Zustandes und der Behandlung alter Buchenwirtschaftswälder in Deutschland: 

 

Die Daten der Bundeswaldinventur belegen eine zunehmende Intensivierung der Holznutzung im deutschen Wald, die die Rahmenbedingungen für Schutzmaßnahmen weiter dramatisch verschlechtern.

 

Auf über 200 Seiten hat Panek die Bundeswaldinventur gründlich  „durchforstet“ und die Inhalte durch viele Exkursionen in den Wald ergänzt. Daraus zog er seine ernüchternde Bilanz. Bereinigt um beschönigende Zahlenwerke und in klaren, zahlenbasierten Feststellungen zeigte sich ein Wald, der fern aller Hochglanzbroschüren von äußerer Zerstörung und innerem Zerfall bedroht war und ist.

 

Überall in Deutschland werden Buchenwälder im Alter zwischen 120 und 160 Jahren im so genannten Schirmschlag-Verfahren "abgeerntet" mit der Folge, dass auf großer Fläche nur wenige alte Bäume den Harvester-Frontalangriff  überleben. In der Statistik werden solche Flächen immer noch als "über 160-jähriger Bestand" geführt.(...) Ist die Verjüngung gelungen, stehen auf der Fläche dicht an dicht meterhohe Buchensämlinge. Typische Wald-Arten, die dicke Bäume und ein kühles Waldinnenklima mögen, sind dann längst verschwunden. Es gibt noch immer zu viele Förster, die behaupten, dies alles sei "naturgemäßer" Waldbau.

 

Aber keine Kritik ist etwas wert, die nicht auch Lösungsvorschläge aufzeigt – Norbert Panek war ein Meister der konstruktiven Kritik. Er zeigte konsequent die Fehlorientierung der Vergangenheit, aber nicht um in Schuldzuweisungen zu verharren, sondern um daraus die unabdingbare Neuorientierung im Umgang mit unseren Wäldern zu bewirken. Mit seiner Schrift Wälder statt Forsten - Thesen zur Waldzukunft forderte er ganz konkret die Eckpunkte eines radikalen Umdenkens in der Forstwirtschaft, um die Resilienz der wenigen noch verbliebenen alten Laubwälder im Klimawandel zu erhalten:

 

Der Niedergang unserer heimischen Buchenwälder ist Sinnbild für das forsthistorische Erbe, das uns heute naturferne, ökologisch total verarmte Forst-Ökosysteme hinterlassen hat. Der Zustand unserer zu Forsten degradierten Wälder spiegelt das nicht oder doch nur bruchstückhaft vorhandene ökologische Gewissen, das unser Denken und Handeln durchdringt.

 

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Mit der fordernd-provokativen Schrift Wilde Wälder braucht das Land  begleitete Panek 2013 das Jubiläumsjahr der "nachhaltigen Forstwirtschaft" in Deutschland. Sein Fazit zum gefeierten Prinzip des Oberberghauptmanns von Carlowitz, dass im Wald nur noch das geerntet werden solle, was im gleichen Zeitraum wieder nachwachse:

 

Eine schöne Idee, die dazu geführt hat, dass der Wald im Lauf der Jahrhunderte mehr und mehr auf seine ökonomische Funktion als Holzfabrik reduziert wurde. Gegenwärtig schreitet nicht nur in den tropischen Regenwaldregionen unserer Erde der Holz-Raubbau voran, auch unseren heimischen Wäldern droht der Ausverkauf.

 

 

Unbeirrt von Nachhaltigkeits-Statements leuchtete er weiter konsequent in die dunklen Ecken einer sich selbst kontrollierenden Forstwirtschaft. Berichte etwa zur Vernachlässigung bis hin zur Zerstörung von FFH Gebieten gab es von ihm viele, mal in leiserem, mal in lauterem Ton. So auch sein Fazit etwa in seinem Beitrag zum 2021 erschienenen Buch  Der Holzweg - Wald im Widerstreit der Interessen: Natura 2000 im Wald entpuppt sich als ein gigantischer Etikettenschwindel.

 

Diese bereits 2013 geäußerte Kritik an den Versäumnissen der Forstwirtschaft durch fehlende FFH Managementpläne ist mittlerweile durch eine laufende Klage  der EU gegen Deutschland bestätigt.

 

Norbert Panek widersprach den verunsicherten Bürgern nicht, die der Einzug einer industriellen Bewirtschaftung mit Großmaschinen in die Wälder aufschreckte und ängstigte. Er versuchte nicht, ihnen die dramatischen Folgen einer intensiven Bewirtschaftung  schön zu reden, denn er wusste, dass es für Bürger so gut wie keinen Einblick in die abgeschotteten Zirkel der Waldbewirtschafter gab. Stattdessen sprach er vielen Menschen angesichts verwüsteter Waldflächen aus der Seele:

 

Die Nutzung diktiert das Geschehen im Wald bis zum letzten Baumstumpf, lässt natürlichen Prozessen keinen Spielraum, manipuliert und unterdrückt sie. Verarmte, geschwächte, ökologisch anfällige Forstbestände sind das Resultat... Dynamik ist ein wesentliches Merkmal von Wäldern. Wer dieses Wesensmerkmal ignoriert, zerstört den Wald. Übrig bleiben dann "leblose" Holzplantagen.

 

Wir als BBIWS wandten uns an ihn als Fachmann für die enorme ökologische Bedeutung unseres Weltnaturerbes Buchenwald, das in Deutschland gut ein Viertel der europäischen Bestandsfläche einnimmt und für das wir deshalb eine große Verantwortung tragen - der man sich offensichtlich bis heute entgegen aller Beteuerungen nicht bewusst ist. Mit großer Geduld gab uns Panek sein breites Wissen weiter, stand uns mit Rat und Tat zur Seite, um damit schließlich dem zu helfen, der keine Stimme hat – dem Wald.

 

Den aktuellen katastrophalen Zustand vieler Buchenwälder nach vier dramatischen Dürrejahren muss, wie von ihm immer wieder verdeutlicht und angeklagt, die Forstwirtschaft mit verantworten. Die im Rahmen „guter fachlicher Praxis“ geübten Schirmschläge schwächen die Buchenwälder derart, dass sie ihre Resilienz im Klimawandel verlieren. Es ist nicht die Baumart, die versagt, schon gar nicht das System Buchenwald, es ist der Mensch, der die Bestände wider besseren Wissens immer weiter auflichtet und den „multifunktionalen Wald“ als Begründung für die industrielle Ausbeutung eines Naturraumes nimmt, bis er zusammenbricht. Letzteres erleben wir aktuell. Letzteres beschreibt Panek 2021 in seinem Buch Fichtenland. Es handelt von dem mittlerweile nicht mehr zu leugnenden großflächigen Zusammenbruch der Forst-Ökosysteme, die allzu schnell dem Klimawandel zugeschrieben werden. In Wahrheit ist der Kern der Krise aber, wie Panek schreibt,  eine Forstkrise, denn der deutsche Wald hat längst seine Eigenart verloren und ist in eine "Fichten-Uniform geschlüpft", die ihn dem sicheren Untergang weiht. 

 

 

Und dennoch - es wäre nicht der Panek, den wir kennen, wenn er uns mit dieser Tragik alleingelassen hätte. Er schließt selbst in diesem Buch mit einem "visionären Wort":

 

Die jetztige Krisensituation bietet die historisch einmalige Chance, in der Forstpolitik endlich grundlegend umzuschwenken. Wir sollten diese Chance nutzen.

Wichtigste Erkenntnis ist: Der alte Nadelholzforst stirbt zwar, aber ein neuer Wald entsteht an seiner Stelle! Allerdings nur, wenn wir den Mut und die Geduld haben, auf die erneuernde Wirkung der Natur zu vertrauen!

 

Norbert Panek verdanken wir das Wissen, das wir als Bürger brauchten und weiter vertiefen müssen, um die Vorgänge in und um den Wald zu verstehen. Denn nur als mündige Waldbürger können wir für ein neues System nachhaltiger Nutzung eintreten, das den Wald nicht nur benützt, sondern in seiner Einzigartigkeit  erkennt und schützt. So wie Panek skizziert:

Letztlich benötigen wir eine „weise Nutzung“ für unsere Wälder, eine harmonische Balance zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen als eine fest verbundene, von einander abhängige Lebensgemeinschaft, ein Gleichgewicht zwischen dem Domestizierten und dem Wilden, zwischen Nützlichkeit und Schönheit – letztlich eine ethische Haltung, die die Natur des Waldes als unsere essentielle Lebensgrundlage begreift und anerkennt.

 

Als BBIWS hat er uns mit ins Leben gerufen und noch vor kurzem gebeten, dem Wald zuliebe als bundesweite Bügerorganisation allen Widrigkeiten zum Trotze aktiv zu bleiben. Wir nehmen die Herausforderung an. 

 

Denn das steht nach wie vor zu befürchten: Land ohne Wald - Wehrt Euch!

 

 ©Prof. Dr. H. Knapp: Buchenurwald
©Prof. Dr. H. Knapp: Buchenurwald

 

Der Naturschutz in Hessen und in ganz Deutschland verliert mit ihm einen unbeirrbaren Kämpfer für Wildnis und Wälder, für Nationalparke und Welterbe. Und „Nationalpark“ verliert einen profilierten und wortgewaltigen Autor, der unsere Zeitschrift seit über dreißig Jahren mit zahlreichen Beiträgen bereichert hat. Mit klaren Worten hat er immer wieder den Finger in offene Wunden fehlgeleiteter Forstpolitik gelegt, hat ernsthaften Schutz von Wäldern und wilder Natur eingefordert und angestoßen.

Prof. Dr. Hannes Knapp, Präsidiumsmitglied EuroNatur Stiftung

 

Norbert Panek war der bohrende und grimmige Mahner, die arg von Forstwirtschaft zerzausten Buchenforste wieder zu sich kommen zu lassen. Die Etablierung des Nationalparks Kellerwald wurde der Lohn seiner Mühen. Seine Aufrichtigkeit wird uns Vorbild bleiben.

Lutz Fähser, Leitender Forstdirektor a.D. des Lübecker Stadtwaldes

 

Hatte ihn doch gerade noch getroffen ... Norbert schrieb mir noch, dass er mich bezüglich einer Waldangelegenheit in Hessen auf dem Laufenden halten würde. Das kann er nun nicht mehr, da ist jetzt diese schreckliche Lücke. Es fehlt nicht nur der Mensch, wir betrauern einen Mitstreiter - im besten Sinne des Wortes. Norbert empörte sich angesichts des fahrlässigen Umgangs dieser Gesellschaft mit dem Wald, er rief zur radikalen Einmischung auf, er lebte das. Die einzig realistische Haltung in dieser Zeit. Einer Zeit der Unsicherheit, der Ungerechtigkeit und des ökologischen Schlafwandelns. Das geeignete Gedenken an Norbert bedeutet nunmehr, dass wir uns in unserem Kampf noch ein bisschen mehr anstrengen - für den Wald und die Menschen.

Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)

 

Norbert Panek gehörte für mich zu den seltenen Persönlichkeiten, die sich weder verbogen, noch einen faulen Kompromiss als einen Erfolg benannten. Der Verlust dieses Waldfreundes kann größer nicht sein.

Karl-Friedrich Weber, Dipl. Forst-Ing., Präsident der Stiftung Naturlandschaft

 

Norbert Paneks Vermächtnis an uns: "Jetzt, nachdem die Klimakrise, die in Wahrheit eine Forstkrise ist, auch unsere Wälder erreicht hat, käme es auf die richtigen Entscheidungen an, um das Schlimmste noch zu verhindern. Es geht um unser Naturerbe. Doch die Politik versagt kläglich. Deshalb: Widerstand ist jetzt Bürgerpflicht! Mischt Euch ein! Schließt Euch zusammen! Wehrt Euch!" Auch wenn er nicht mehr da sein kann, wir tragen diese wichtige Botschaft in unserem Geist und in unserem Herzen.

Susanne Ecker, BI Schützt den Pfälzerwald

 

Norbert war ein wahrer Freund der Wälder. Insbesondere der Schutz der Buchenwälder lag ihm am Herzen, für deren Erhalt er brannte und einstand wie kein Zweiter. Seine kritischen Texte zur Waldvernichtung durch eine katastrophale Forstwirtschaft zeigen messerscharf auf, wodurch diese verursacht wurden und immer noch werden: eine völlig verfehlte von der Gier der Forst- und Holzlobbyisten gesteuerte Waldpolitik. Es sind die wahren Meister, die sich nicht in den Vordergrund stellen und ihr Wissen uneigennützig zur Verfügung stellen. Uns bürgerlichen Waldschützern war er Berater und Freund zugleich. Wir werden ihn vermissen.

Claudia Blank, BI gegen die Waldzerstörung Bayern

 

Norbert Panek wird uns als Mensch und Stimme für den Naturschutz sehr fehlen. Bereits in den 70er Jahren wurde er im Naturschutz aktiv. Durch die Gründung der BI "Pro Nationalpark" im Jahr 1990 gilt er als Wegbereiter für den Nationalpark im Kellerwald (Hessen), eingerichtet im Januar 2004. Er ist Initiator des Geoparks GrenzWelten, der im Oktober 2009 erstmalig auf fünf Jahre befristet als Nationaler Geopark zertifiziert wurde. Panek veröffentlichte in Zeitungen, Zeitschriften, publizierte Bücher, war an vielen Projekten als Co-Autor beteiligt und verfasste zahlreiche Gutachten. Der Schwerpunkt seiner Arbeit galt den Buchenwäldern, denen er besonders zugetan war. Seine Kompetenz, sein Ideenreichtum und seine unermüdliche Energie werden fehlen, aber seine Erfolge, wie seine Person werden unvergessen bleiben.

Netzwerk Baum- und Naturschutz (NBN)