Wenn Buchen und Eichen für den Forstwirtschaftsplan fallen - Umbau eines gesunden Mischwaldes?
von Claudia Blank
In den Erholungswäldern rund um Bad Mergentheim in Baden-Württemberg werden Klimaschutzmaßnahmen für den Wald getroffen. Wenn naturferne Kunstforsten und Fichtenplantagen - erschaffen durch nachhaltig uneinsichtige Forstwirtschaft - in Zeiten von Klimawandel zu zukunftsfähigen Mischwäldern umgebaut werden, ist dies nachvollziehbar. Aber müssen bereits klimataugliche stabile Mischwälder umgebaut werden?
So geschieht es derzeit im schönen Ketterwald zwischen Schmerzklinik und Kurpark von Bad Mergentheim - einem herrlichen Mischwald mit alten Baumbestand, wie er nur noch selten in Deutschland zu finden ist und wie ihn Erholungssuchende lieben.
Mit seinen sehr alten Habitat- und Biotopbäumen ist er Lebensraum und Rückzugsort für viele geschützte Arten. Sein dicht geschlossenes Kronendach sorgt für schattiges und kühles Waldinnenklima; schmale gewundene Wege, lockere Waldböden und artenreiche Bodenvegetation mit seltenen Pflanzen machen das Wandern auch an heißen Sommertagen zu einem angenehmen und besonderen Walderlebnis. Der Ketterwald, wie auch der angrenzende Arkauwald, sind Klimawälder mit Vorbildcharakter und somit von hoher Bedeutung für den Weg aus der Klimakrise.
Dennoch wurde der Ketterwald von Landesforst BW - der seit 2020 mit der "Pflege" aller öffentlichen Bürgerwälder betraut wurde - zum Patienten erklärt.
Wo all die Jahre zuvor der Wald mit schonender Försterhand und maßvoller Holznutzung weitgehend ungestört wachsen und gedeihen durfte, zeigt ihm fortan der Landesforst, was in ihm wachsen darf und wo sein Wachstum hin zu gehen hat. Der moderne Förster maßt sich an, es besser zu können als die Natur selbst. Was diese bislang sehr gut alleine schaffte, wird ihr nun abgesprochen. Gleich einem Halbgott im Grün vermag scheinbar nur der Forst der Natur auf die Sprünge zu helfen, um mit dem Tempaturanstieg fertig zu werden. Zu diesem Zweck wird von ihm gesunder dichter Wald aufgelichtet und zur Ader gelassen, indem kräftig gefällt und sein dichtes Kronendach aufgerissen wird.
Wer nun denkt, es würde sich dabei um die vielbeklagten kränkelnden Nadelbäume handeln, der irrt. Des Försters Plan ist viel schlauer: er fällt wertvolle gesunde Eichen und Buchen, zumeist von starkem Durchmesser, damit ordentlich Licht in den Wald kommt und die jungen Bäume schneller wachsen. Zudem winkt gerade bei Eichen gutes Geld. Durch das Herausschlagen dieser wertvollen Baumveteranen wird aber der Wald kontinuierlich weiter aufgelichtet und "heißgeschlagen", was wiederum Trockenheit und Dürre im Wald fördert.
László Maráz, Koordinator der Dialogplattform Wald im Forum Umwelt und Entwicklung, warnt vor einem "fahrlässigen Umgang mit Wäldern in der Klimakrise durch Auflichtung".
Eiche (links) und Buche (rechts) im Starkholz mit Fällmarkierung
Dort wo nun die Lücke klafft, lässt LandesforstBW zum Ausgleich kleine, angeblich zukunftstaugliche - und ertragversprechende - Bäumchen in Baden-Württembergische Pflastikhülsen setzen. Die dabei freigestellten Nachbarbuchen - eine schattenliebende Baumart - werden dabei der Sonnenstrahlung ausgesetzt. Ihrer nimmt sich der Förster spätestens dann an, wenn sie infolge der gewollten Auflichtung Rindenschäden durch Sonnenbrand und braune Blätter zeigen, um auch sie zum Patienten zu erklären und zur Fällung auszuzeichnen.
Gefällter Altbaum (links) und Plastikhülsen als Starthilfe (rechts)
Der Forstwirtschaftsplan 2022 sieht weiter massive Einschläge von Starkholz vor - vor allem alte Buchen und Eichen sollen fallen.
Während die Grünen in der Landesregierung in einem aktuellen e-Papier gezielte Maßnahmen für das ökologische Wohlergehen der Wälder umsetzen wollen, soll es zukünftig gerade den Bäumen an den Stamm gehen, die aufgrund ihres Alters das meiste CO2 speichern, die meiste Biodiversität und die größte Artenvielfalt aufweisen. Schon jetzt liegen beidseitig der Wege im einst weitgehend unberührten Ketterwald in großer Zahl alte Buchen und Eichen. Weitreichende Fällmarkieren - fast ausschließlich an Starkbäumen von Wert - und in regelmäßigen Abständen angezeichnete Rückegassenmarkierungen machen den Einzug der Landesforsten und damit den Beginn einer hochtechnisierten Holzindustrie unverkennbar. Aus "waldbaulichen Gründen" sollen vor allem gesunde Eichen geschlagen werden und selbst jahrhunderte alte Eichen, die unbeschadet zwei Kriege überlebt haben, wurden zur Fällung ausgezeichnet.
Gefällte Eichen und Buchen im Starkholz
Offenbar geht es dabei also weniger um den Wald, sondern um wertvolle Bäume für den Markt, und der Klimaschutz wird als "Totschlagargument" mißbraucht - wie auch die angebliche Verpflichtung, Bäume aus Gründen der Verkehrssicherung fällen zu müssen. Nebenbei - das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung erfolgt immer auf eigene Gefahr.
Alte Baumveteranen und Habitatbäume dennoch abzuhacken ist - gerade in Zeiten des großen Artensterbens - ein unverantwortlicher Umweltfrevel!
Gefällten Habitatbäume am Hasenpfad - dort wurden viele wertvolle und schützenswerte Bäume gefällt (links) und gefällter Altbaum mit Spechthöhle (rechts)
Die Fällung von wertvollen alten Habitat- und Biotopbäumen mit zahlreichen Mulmhöhlen, mit Specht- und Fledermaushöhlen und anderen für den Artenreichtum so wertvollen Habitatstrukturen, wurden vom Forst mit der angeblichen Notwendigkeit der Verkehrssicherung begründet, was schlichtweg falsch ist. Der BGH hat im Urteil vom 02.10.2012 / VI ZR 311/11 https://openjur.de/u/557172.html vollumfänglich und bindend entschieden hat, dass typische Gefahren im Wald - auch an Wald- und Wanderwegen! - NICHT der Verkehrssicherungspflicht unterliegen! Dies gilt auch bei sog. "Megagefahren" und hat vor allem hinsichtlich der Zunahme von Totholz und flächenweise abgestorbenen Waldbeständen durch die Waldklimakrise der vergangenen drei Jahre eine besondere Bedeutung für Waldbesitzende und Forstleute. Ein entsprechendes Hinweisschild "Betreten auf eigene Gefahr" hätte die uralten Bäume verschont und wertvollen Lebensraum für unter Schutz stehenden Arten erhalten.
Ein Schreiben an den Bürgermeister von Bad Mergentheim und den Gemeinderat forderte ein Einschlagsmoratorium für alle alten Laubbäume im Ketterwald und in den Erholungswäldern um Bad Mergentheim herum. Geantwortet hat bisher nur der zuständige Forstbetrieb .... wenig zufriedenstellend und daher entsprechend kommentiert.
Weitere Informationen:
Ein Brandbrief von Umweltverbänden an die BW-Landesregierung und LandesforstBW fordert eindringlich die ökologische Waldwende!
Auch die BW-GRÜNEN fordern in einem 10 Punkte-Plan den klimaresilienten Wald ein und setzen auf einen Paradigmenwechsel: